Religionen in Breslau und Schlesien – Geschichte und Zeugnisse

Tagungsbericht von Ulrich Schmilewski

Am 21.-24.06.2019 hielt das Kulturwerk Schlesien seine Jahrestagung in Breslau ab. 

Die Veranstaltung zum Thema „Religionen in Breslau und Schlesien“ wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales dankenswerterweise gefördert. Ziel der Tagung war es, Aspekte aus der Geschichte der verschiedenen in Schlesien vertretenen Glaubensbekenntnisse vorzustellen und deren Zeugnissen in Stadtspaziergängen zu begegnen.

„Wegweisende Aspekte im schlesischen Katholizismus“ stellte Prof. Dr. Dr. Rainer Bendel (Tübingen) von der Aufklärung bis zu den Aufbruchsbewegungen der 1920er Jahre vor. Er verwies auf die aufklärerischen Impulse zur Stärkung des Engagements der Gläubigen wie etwa den Einsatz für den Volksgesang im Gegensatz zur bisher vorherrschenden Figuralmusik. Zugleich wurden die Vereinheitlichung des Katechismus, Schulen zur Hebung des religiösen Lebens und eine modernere Ausbildung der Seelsorger gefordert. Im Mittelpunkt stand die Einbeziehung der Gläubigen in die kirchlich-gottesdienstliche Gemeinschaft. Ein exponierter Vertreter der kirchlichen Aufklärung in Schlesien war Johann Anton Theiner, doch wies der Referent auch auf die beharrenden Elemente in der Amtskirche hin. Die Aufbruchsstimmung der 1920er Jahre zeigte sich etwa in der vom Kloster Grüssau ausgehenden liturgischen Bewegung, die die Gottesdienstliturgie verständlicher machen wollte. Für die Jugendbewegung seien die Namen Hermann Hoffmann, Klemenz Neumann und Bernhard Strehler genannt, an Institutionen der Heimgarten in Neisse und die Quickborn-Bewegung. Eine Neuerung war auch die 1934 erfolgte Ernennung eines Rundfunkbeauftragten der Diözese Breslau, des ersten in Deutschland, womit sich die katholische Kirche für die neuen Medien öffnete.

Über die 900-jährige Geschichte des Judentums in Schlesien informierte Prof. Dr. Arno Herzig (Hamburg). Die jüdischen Gemeinden waren häufig Objekte der Hetze, Opfer von Vorurteilen und Pogromen sowie Spielball der Politik. So wollten die Landesherren im Mittelalter die Städte gewinnen und gewährten diesen Privilegien der Nichttoleranz von Juden in ihren Mauern. Positiv zu vermerken ist die zeitweise gezielte Ansiedlung von Juden in Oels und Zülz, die jüdische Druckerei in Dyhernfurth, wo auch die erste jüdische Zeitung in Duetschland etschien, die Tolerierung von „generalprivilegierten“ Juden und schließlich die Judenemanzipation im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformgesetzgebung. Von den Folgen des Nationalsozialismus auf Juden war auch Schlesien nicht ausgenommen. Jüdisches Leben hat sich nach 1945 im Oderland unter nicht einfachen Bedingungen wieder entwickelt.

Dr. Dietrich Meyer (Herrnhut) betrachtete die evangelische Kirche Schlesiens zwischen Orthodoxie und Aufklärung. War die Einführung der Reformation in Schlesien ein Aufbruch, so erfolgte bald eine Verfestigung durch das landesherrliche Kirchenregiment mit seinen Kirchenordnungen. Maßgebend waren hier die politischen Rahmenbedingungen und die Abwehr gegen äußere Einflüsse, etwa die Schwenkfelder. Die Aufklärung mit ihren Neuerungen wie etwa einem modernen Gesangbuch stieß nicht stets auf Zustimmung. So gründete der Breslauer Pfarrer Johann Gottfried Scheibel im Widerstand gegen die Einführung der Preußischen Union die altlutherische Kirche als erste „staatsfreie“ Kirche. Während des Nationalsozialismus verfestigten sich die Gegensätze zwischen Deutschen Christen und Bekennender Kirche. Der Referent sah die evangelische Kirche Schlesiens im Gegensatz zwischen dem Bemühen, zeitgemäß zu sein, und einem „zurück zu den Wurzeln“.

Mit dem Pogrom an den Breslauer Juden 1453 befasste sich Prof. Dr. Karl Borchardt (München). Ausgelöst wurde es durch den franziskanischen Bußprediger Giovanni da Capestrano. Dieser zog seit 1421 als Bußprediger erst durch Italien und wirkte ab 1451 auch nördlich der Alpen. Sein Ziel war es, die Christen zu einem gottgefälligen Leben unter Verzicht auf Habgier und Luxus anzuhalten. So wurden am 18. März 1453 auf dem Breslauer Salzmarkt Tand und Luxusgüter auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Am 20. Mai beschuldigte dann ein Bauer aus Langewiese bei Oels die Juden des Hostienfrevels. Die Breslauer Juden, 318 an der Zahl, wurden gefangengesetzt, gefoltert, Geständnisse von ihnen erpresst, 41 auf einem Scheiterhaufen verbrannt, die übrigen der Stadt verwiesen. Ihr Vermögen wurde eingezogen. Der Breslauer Stadtchronist Peter Eschenloer übergeht das Pogrom, sodass der Referent dem Bericht von Oswald Reicholf folgte. Auf das Pogrom folgten Judenverweisungen aus anderen schlesischen Städten. Das Ereignis als solches ist nach den Maßstäben der damaligen Zeit zu beurteilen: Hostienfrevel galt als ein Verbrechen, das bestraft werden musste.

Die Entstehung der altlutherischen Kirche geht auf den Breslauer Pastor Scheibel und dessen Widerstand gegen die Preußische Union zurück, wie Prof. Dr. Gilberto da Silva (Oberursel) darlegte. Um 1830 zählten die Altlutheraner in Breslau bereits 1.000 Anhänger. In Zusammenhang mit dem Agendenstreit griff am 23. Dezember 1834 sogar preußisches Militär gegenüber der Gemeinde in Hönigern, Kreis Namslau, ein und setzte den Willen des Königs mit Gewalt durch. Drei Jahre später erfolgte die Auswanderung von 1.000 schlesischen Altlutheranern nach Amerika. Die Zeit ab 1840 charakterisierte der Referent als eine Epoche der staatlichen Duldung und innerkirchlichen Strukturierung. Während der NS-Zeit waren die Altlutheraner zwar nicht von den Auseinandersetzungen zwischen Deutschen Christen und Bekennender Kirche betroffen, zeigten in ihren Reihen aber die Mentalitäten jener Zeit, besonders was Anpassung oder Unterstützung der nationalsozialistischen Ideologie anging. Der Verlust der Ostgebiete 1945 bedeutete für die altlutherische Kirche den Verlust eines Drittels ihrer Mitglieder und zwei Drittels ihrer Immobilien. Mit der Evangelischen Kirche kam es 2017 schließlich zu einer Versöhnung.

Das pietistische Wirken der Friederike Gräfin von Reden stellte aus ihren Forschungen Dr. Urszula Bończuk-Dawidziuk (Breslau) vor. Von der Erweckungsbewegung inspiriert, förderte die Gräfin mit ihrer Buchwalder Bibelgesellschaft die Verbreitung des Wortes Gottes, unterstützte die Ansiedlung der protestantischen Tiroler im schlesischen Zillertal, beteiligte sich an der Umsetzung der Kirche Wang und engagierte sich vielfältig in sozialer Hinsicht. Die „Mutter des Hirschberger Tales“ versuchte, einen interkonfessionellen Dialog jenseits aller Standesschranken zu führen, machte aus Buchwald ein gesellschaftliches und geistliches Zentrum des schlesischen Adels, übernahm die Erziehung adliger Kinder in Buchwald und unterstütze mäzenatisch die Dichterin Johanne Juliane Schubert (1776-1864). Am bedeutendsten war jedoch die von ihre geleitete Bibelgesellschaft mit über 150 Mitgliedern um 1830; selbst der preußische König kaufte „Hirschberger Bibeln“ an und überlies zahlreichen Schulen je ein Exemplar.

Die beiden Stadtspaziergänge unter der Führung von Dr. Ulrich Schmilewski (Würzburg) führten in das Breslauer Stadtmuseum mit seiner umfassenden Geschichtspräsentation, über die Altstadt mit Besichtigung der von 1525 bis 1946 evangelischen St. Elisabeth-Kirche zur Universität, wo man nach einem Besuch der Aula Leopoldina und des Musiksaals den Mathematischen Turm bestieg und dort einen wunderbaren Rundblick über Breslau genoss. Ziele des zweiten Spaziergangs waren die wiederhergestellte Synagoge zum Weißen Storch und die idyllische Dominsel mit der Kreuzkirche und der Kathedrale St. Johannes der Täufer. Insgesamt erwies sich Breslau zur Freude der Tagungsteilnehmer als überaus sehenswerte und pulsierende Stadt.

Im Rahmen der atmosphärisch angenehmen Tagung kam das Stiftungskuratorium zu einer Sitzung zusammen, zudem fanden die Mitgliederversammlungen der Freunde und Förderer der Stiftung Kulturwerk Schlesien e.V. und des Vereins für Geschichte Schlesiens e. V. statt.

Fot. Vera Schmilewski