Neuerscheinung: “Avantgarde in Breslau 1919-1933”

Die Publikation von Johanna Brade zur gleichnamigen Ausstellung im Schlesischen Museum zu Görlitz.

Die polnische Version des Buches erscheint in Kürze.

Avantgarde in Breslau? Dieser Frage spürt die eben erschienene Publikation zur erfolgreichen Ausstellung „Avantgarde in Breslau 1919 – 1933“ des Schlesischen Museums in einem Kurzüberblick nach.

Vielleicht wird manchem abwegig erscheinen, Künstler der Avantgarde im Breslau der 1920er-Jahre zu suchen. Die heutige Rezeption lässt keinen Zweifel an der tonangebenden Stellung Berlins für die Kunst der Klassischen Moderne oder fokussiert, wie im aktuellen Jubiläumsjahr, auf das 1919 in Weimar gegründete Bauhaus.

In der Tat war Breslau keine junge, quirlige Metropole, in der über Nacht neue Ideen geboren und umgesetzt wurden. Hier herrschte bürgerlich-biedere Geschäftstüchtigkeit und ein von kirchlichen und universitären Traditionen bestimmtes Leben. Hämisch karikierte Kurt Tucholsky 1921 den Breslauer Provinzlerstolz in der Zeitschrift „ Die Weltbühne“ und der Lyriker Klabund sah sich 1925 gar an einen „feuchten, unfreundlichen Ort im preußischen Sibirien“ versetzt, in dem es (angeblich) nicht einmal Autos gab.

Und doch kamen die verschiedensten Vertreter die Avantgarde ab 1918 oft nach Breslau: der Berliner „Sturm“-Galerist Herwarth Walden beispielsweise, der Expressionist Ludwig Meidner oder Vertreter der expressionistischen Künstlergruppe „Brücke“. Einige Künstler blieben sogar für längere Zeit, so wie Otto Mueller, Oskar Moll, Alexander Kanoldt, Carlo Mense, Hans Scharoun, Oskar Schlemmer oder Georg Muche, die als Professoren an der Akademie für Kunst und Kunstgewerbe lehrten.

Auch der erfolgreiche Literat Max Herrmann-Neiße suchte ab 1923 wieder regelmäßig den Kontakt zur Stadt seiner ersten Studienjahre und beobachtete interessiert, was sich hier an Neuem entwickelte. Für Literaten war vor allem der 1924 gegründete Rundfunksender „Schlesische Funkstunde“ anziehend. Unter dem Intendanten Fritz Walter Bischoff entwickelte sich hier der wohl innovativste und kulturell anspruchsvollste Sender der Zeit. Kein geringerer als Erich Kästner bot dort 1929 seine Texte an, die als Hörspiel „Leben in dieser Zeit“ Aufsehen erregten.

Parallel verwandelte sich das Stadtbild Breslaus durch Architekten wie Adolf Rading, Erich Mendelsohn, Max Berg und viele andere Architekten. Es entstanden Kinopaläste, Kaufhäuser mit großstädtischem Ambiente und umfangreiche Siedlungsbauten. Adolf Rading und Hans Scharoun präsentierten 1929 international beachtete Ideen für modernes Leben und Wohnen auf der Werkbund-Ausstellung „Wohnung und Werkraum“.

Auch wenn das Breslauer Publikum den Neuerungen zum Teil verständnislos gegenüberstand, erlebten junge Künstler diese Zeit als ungeheuer spannend und anregend. Der kulturelle Aufschwung in diesem „östlichen Paris“ endete aber schon 1932/33 ebenso schnell wie er gekommen war. Die allgemeine finanzielle Krise der Weimarer Republik und schließlich das nationalsozialistische Regime bereiteten der Moderne ein rasches Ende. Erst im Nachkriegsdeutschland fanden viele Avantgarde-Künstler wieder die ihnen gebührende Anerkennung.

Die kleine, aber reich bebilderte Publikation (84 Seiten, Text deutsch) ist im Schlesischen Museum erhältlich oder im Onlineshop unter www.schlesisches-museum.de

Preis: 9,50 € zzgl. Versandkosten. In Vorbereitung befindet sich eine ergänzende Textübersetzung in polnischer Sprache.