An Jerzy Ziętek scheiden sich nach wie vor die Geister

Große Diskussion über Jerzy Ziętek (1901–1985) in Oberschlesien

Den Namen Zięteks tragen nach wie vor mehrere Straßen und Plätze in der Region sowie ein großer Kreisverkehr in der Innenstadt von Kattowitz.

Im Zusammenhang mit der endgültigen Entkommunisierung der Straßennamen, die nach der Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes in den letzten Jahren in Polen stattfindet, wurde in Oberschlesien viel und zum Teil heftig über Jerzy Ziętek (1901–1985) diskutiert. Bei einem nicht geringen Teil der einheimischen Bewohner der Region genießt der kommunistische Funktionär und General überraschenderweise immer noch einen sehr guten Ruf. In einer Abstimmung der Kattowitzer Redaktion der „Gazeta Wyborcza“ wurde er sogar zum zweitbedeutendsten Oberschlesier des 20. Jahrhunderts gewählt (Platz 1. belegte der Anführer der Aufstände von 1919–1921 Wojciech Korfanty). Den Namen Zięteks tragen nach wie vor mehrere Straßen und Plätze in der Region sowie ein großer Kreisverkehr in der Innenstadt von Kattowitz.

Im Bewusstsein vieler Einwohner bleibt Ziętek, der zwischen 1945 und den 1980er Jahren diverse hohe Ämter auf regionaler und staatlicher Ebene inne hatte (er war unter anderem Wojewode und  Vize-Wojewode von Kattowitz/ Katowice sowie Mitglied des Staatsrates) ein Erneuerer der Region. Fest verankert ist zudem sein Image eines gutmütigen Opas, der sich um den einfachen Menschen kümmerte und zum Wohle Oberschlesiens spektakuläre Investitionen umsetzte. Tatsächlich wurden während seiner Amtszeit die Kattowitzer Sport- und Veranstaltungshalle „Spodek“ (Untertasse) und der Sanatorienkomplex in Ustron/ Ustroń erbaut sowie der große Erholungspark mit zoologischem Garten an der Grenze von Kattowitz und Königshütte/ Chorzów angelegt. Seine Beliebtheit verdankt er aber nicht zuletzt dem Umstand, dass er zu den recht wenigen Oberschlesiern zählte, die in der Volksrepublik Polen ein wichtiges Amt bekleideten.

Viel seltener als die tatsächlichen oder vermeintlichen Verdienste Zięteks werden die negativen Fakten aus seinem Leben thematisiert. Als Wojewode bzw. Vize-Wojewode von Kattowitz war er nach 1945 nicht nur mitverantwortlich für die Verhaftung tausender seiner oberschlesischen Landsleute deutscher Zunge, sondern auch – worauf das Institut für Nationales Gedenken (IPN) in seinem Gutachten hingewiesen hat – für die brutalen Repressalien gegen alle Bürger, die das kommunistische System und die Unterwerfung Polens durch Moskau nicht akzeptieren wollten. Trotz des weit verbreiteten Images eines „anständigen“ Oberschlesiers ist nichts davon bekannt, dass er sich in der Zeit des Kommunismus für die Wahrung der oberschlesischen Eigenart und des regionalen Kulturerbes eingesetzt hätte. Ganz im Gegenteil: Während seiner Amtszeit wurde auf mehreren Ebenen eine gnadenlose Polonisierung durchgeführt und mehrere wertvolle Baudenkmäler, darunter die wiederaufbaufähige Ruine des wunderschönen Donnersmarck´schen Schlosses Neudeck/ Świerklaniec, wurden unwiederbringlich zerstört.

Trotz des eindeutig negativen Gutachtens des IPN wurden Zięteks Denkmäler bisher nicht abgetragen und die nach ihm benannten Straßen nicht umbenannt.

Tekst: Dawid Smolorz