Oberschlesien in der Geburtsstunde der Solidarność

Im bewegten Sommer 1980 wurde auch in Oberschlesien die Geschichte geschrieben

Die Stadt Bad Königsdorff-Jastrzemb/ Jastrzębie-Zdrój gehörte damals zu den wichtigsten Zentren der freiheitlichen Bewegung in Polen.

Als Wiege der Solidarność, der ersten freien Gewerkschaft im Ostblock, gilt mit Recht Danzig/ Gdańsk. Zwei Wochen nach dem Beginn des Streiks in der dortigen Lenin-Werft legten die Bergleute der Zeche „Manifest Lipcowy“ (später „Zofiówka“) in Bad Königsdorff-Jastrzemb als ersten größeren Werkes in Oberschlesien die Arbeit nieder. Wie überall versuchten die kommunistischen Behörden auch dort, die Streikenden einzuschüchtern und die Solidarität zwischen den einzelnen Betrieben zu brechen. Da diese Bemühungen aber misslangen, sah sich die Regierung gezwungen, mit den Protestierenden von vier großen Werken Abkommen zu unterzeichnen, mit denen unter anderem die „Solidarność“ offiziell anerkannt wurde. Eines der sogenannten Augustabkommen wurde am 3. September 1980 mit dem überbetrieblichen Streikkomitee des Bergwerks „Manifest Lipcowy“ in Bad Königsdorff-Jastrzemb geschlossen. Die in der oberschlesischen Stadt geschlossene Vereinbarung sah unter anderem die Abschaffung des Vier-Schicht-Systems und die Einführung freier Samstage und Sonntage für alle Beschäftigten in der Volksrepublik Polen vor.

Ende August 1980 folgten zahlreiche weitere Großbetriebe in Oberschlesien dem Bergwerk  „Manifest Lipcowy“ und traten in Streik, so etwa die Zechen „1 Maja“ (Loslau/ Wodziasław Śl.) „Borynia“ (Bad Königsdorff-Jastrzemb) und „ZMP“ (Sohrau/ Żory) sowie das Autowerk „FSM“ in Tichau/ Tychy und das Hüttenwerk „Katowice“ im benachbarten Dombrowaer Kohlerevier. Die Liberalisierung des öffentlichen Lebens in Polen wurde mit der Verhängung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski Ende 1981 brutal unterbrochen. Ein Symbol des Widerstandes gegen das kommunistische Unrecht wurde in diesen tragischen Dezembertagen das Kattowitzer Bergwerk „Wujek“, wo Angehörige einer Sondereinheit der Bürgermiliz bei einem Sturmangriff neun Bergleute töteten und 20 weitere zum Teil schwer verletzten.

Text: Dawid Smolorz