Die „Festung der Legenden“ in Silberberg/ Srebrna Góra – das erste Legendenfestival in Polen findet in Niederschlesien statt

Ein neues Festival will den Legendenschatz der Region sichtbar machen – und vermarkten

Das alte deutsche Legendengut wird von Polen gepflegt, gelebt und zu touristischen Zwecken genutzt.

Die größte Bergfestung Europas und die wohl geheimnisvollsten Legenden, Sagen und Märchen: Am 3. und 4. Oktober 2020 wird die niederschlesische Stadt Silberberg zur Hauptstadt der schlesischen Legenden. Die „Festung der Legenden“ ist das erste Festival dieser Art in Polen. Während der Veranstaltung haben Besucher die Möglichkeit, Sagen- und Legendengestalten zu begegnen, Geschichten von Räubern, tapferen Rittern und vergrabenen Schätzen sowie Gespenster- und Spukgeschichten zu lauschen. Es wird dabei auf die Legendenbildung eingegangen und auf die damit verknüpften Orte hingewiesen. 

„Niederschlesien ist ein einzigartiges Gebiet auf der Landkarte Polens. Jeder hier Geborene lebt unter einer Wolke der Geheimnisse. Nirgendwo sonst in Polen gibt es diese Dichte an Schlössern und Burgen. Und in jedem von diesen alten Gemäuern spuckt entweder die weiße Frau, der kopflose Reiter oder ein lasterhafter Prinz herum. Das Riesengebirge hat seinen legendären Rübezahl und tief unter der Erdoberfläche lauern Bergleute oder Schatzsucher, die sich vor Jahrhunderten in den unterirdischen Gängen verirrt hatten. Wir haben beschlossen, all diese Geschichten zusammenzutragen, um sie während der Veranstaltung auf der Festung Silberberg vorzuführen“, sagt die Journalistin und Autorin Joanna Lamparska, deren Stiftung „Projekt Historia“ (Projekt Geschichte) gemeinsam mit der Festung das Herbstfestival organisiert.

Auch die gastfreundliche Festung, die über dem malerischen Silberberg thront, birgt viele Geheimnisse.  Im 18. Jahrhundert errichtet, blieb sie unerobert. Der Donjon, der als Herzstück der Festung gilt und zum größten seiner Art in Europa zählt, setzt sich aus vier mit einem Verteidigungsgürtel verbundenen Türmen zusammen. Und jeder einzelne Turm hat einen Durchmesser von 60 Meter und eine Mauerstärke von 12 Meter.  

„Irgendwo auf dem Festungsgelände sollte ein Taler versteckt sein, der einst Friedrich dem Großen gehörte. Als der König erfuhr, dass allein der Bau der Festungsbrunnen 999.999 Taler kosten sollte, gab er einen weiteren Taler dazu, um den Betrag abzurunden. Viele glauben nun daran, diese Münze ausfindig zu machen“, erklärt Emilia Pawnuk, die Vorsitzende der Festung Silberberg. „Auch um die Brunnen – jeder mit einer Tiefe von mehr als 60 Meter und der tiefste mit 84 Meter – ranken sich besonders interessante Geschichten. Es ist gut, diese in Erinnerung zu rufen.“

Die deutschen Reiseführer des 19. Jahrhunderts griffen gern das alte Sagen- und Legendengut auf. Nach 1945 ist dieses Gut weiterhin ein Teil der Geschichte Niederschlesiens. Die bekanntesten Sagen sind die von der Kunigunde von Kynast (Chojnik) und den Tempelrittern, die in dieser Region Gold vergraben haben sollten. Angeblich wurde der Heilige Gral im Landeshuter Kamm (Rudawy Janowickie) verborgen. Ganz unerwartet haben Forscher einige von diesen Geschichten unter die Lupe genommen und sind dabei zu sensationellen Ergebnissen gekommen. Im mittelalterlichen Wohnturm zu Boberröhrsdorf (Siedlęcin) gibt es Fresken, die die Legende von König Artus und den Rittern der Tafelrunde zeigen. Diese Wandmalereien gelten als die ältesten Fresken weltlichen Inhalts in heutigen Grenzen Polens. Sie stellen die Geschichte von Sir Lanzelot vom See, einem der Ritter des Königs Artus, dar und sind die einzigen in der Welt, die in situ, d. h. in originaler Lage, am (ursprünglichen) Ort des Entstehens, erhalten sind. Die Wandgemälde warfen einen ganz neuen Blick auf die bekannte Legende, aber davon erzählen ihre Forscher im Treffpunkt Silberberg.  

Text: Lidia Kawecka