Oberschlesier als Opfer Stalins

Vor 80 Jahren wurden mehr als 1.200 Beamte der Polizei der Wojewodschaft Schlesien in der Sowjetunion ermordet

Bis 1990 bestritt die Sowjetunion die Massaker, deren bekanntestes Symbol der Ort Katyn bei Smolensk ist.

Beamte der Polizei der Wojewodschaft Schlesien vor der Wache in Emanuelssegen/ Murcki, heute Stadtteil von Kattowitz/ Katowice, 1933, Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe

Als die UdSSR am 17. September 1939 als Verbündete des Dritten Reiches in den Krieg gegen Polen eintrat, befanden sich in den östlichen Gebieten des Landes ungefähr 300.000 polnische Soldaten.

Angesichts der Erfolge der deutschen Wehrmacht, die seit dem 1. September nach Osten vordrang, zogen sich auch die meisten Einheiten der Polizei der Wojewodschaft Schlesien hinter die Linie des Bug und San zurück. Bei diesen Verbänden handelte es sich um die einzige regionale Polizei im damaligen Polen. Da Polnisch-Oberschlesien vor dem Zweiten Weltkrieg eine autonome Wojewodschaft war, verfügte es neben dem eigenen Finanzwesen und Regionalparlament unter anderem auch über eigene Polizeikräfte. In der zweiten Septemberhälfte 1939 ging die große Mehrheit der Beamten aus Oberschlesien in sowjetische Gefangenschaft. Wie die Offiziere der polnischen Armee, die Beamten des Grenzschutzkorps KOP, die Vertreter der Verwaltung und die Angehörigen der intellektuellen Elite wurden auch sie von Moskau als „umerziehungsunfähig“ eingestuft und somit de facto zu Tode verurteilt. Zusammen mit mehreren Tausend Kollegen der polnischen Staatlichen Polizei wurden die ca. 1.200 oberschlesischen Polizisten im Herbst 1939 im Sonderlager Ostaschkow auf einer Insel im Seligersee (Oblast Twer) inhaftiert. Im Frühjahr 1940 begannen systematische Massenerschießungen, bei denen insgesamt mehr als 21.700 polnische Bürger ihr Leben verloren. Die Kriegsgefangenen aus Ostaschkow wurden in den Kellerräumen des NKWD-Sitzes in Twer ermordet und anschließend in einem Wald in der Nähe des Dorfes Mednoje verscharrt. Von den insgesamt ca. 3.000 vor dem Krieg aktiven Polizisten der Wojewodschaft Schlesien fand dort fast die Hälfte (1.231) ihre letzte Ruhestätte.

Nilow-Kloster – das frühere Sonderlager Ostaschkow, Quelle: Yelena Medvedeva, Wikimedia Commons

Bis 1990 bestritt die Sowjetunion die Massaker an polnischen Bürgern, deren bekanntestes Symbol der Ort Katyn bei Smolensk ist. Erst in den 1990er Jahren konnten die Angehörigen der ermordeten Beamten der Polizei der Wojewodschaft Schlesien Näheres über die Todesumstände ihrer Väter und Ehemänner erfahren. In mehreren Orten der Region befinden sich heute Denkmäler für die Polizisten, die auf Befehl des sowjetischen Politbüros erschossen wurden. Auch am ehemaligen NKWD-Gebäude in Twer hing bis vor Kurzem eine Gedenktafel, die an die dort ermordeten Gefangenen des Sonderlagers Ostarschkow erinnerte. Im Mai 2020 wurde sie aber entfernt.

Polnischer Gefangenenfriedhof in Mednoje – letzte Ruhestätte von 1.231 Beamten der Polizei der Wojewodschaft Schlesien, Quelle: RaNo, Wikimedia Commons

Text: Dawid Smolorz