Neuerscheinung: Breslau/ Wrocław – ein alternativer Reiseführer von Mirko Seebeck

100 außergewöhnliche Orte, die man nicht verpassen sollte

Eine subjektiv gefärbte Buchempfehlung von Matthias Voigt.

Die Reihe an Reiseliteratur über die niederschlesische Hauptstadt ist lang. Nahe liegt die Frage, ob es noch eines weiteren Reiseführers bedarf. Um die Antwort vorweg zu nehmen: ja, es war nötig, denn er ist tatsächlich, was der Titel verspricht – ein „alternativer Reiseführer“. Und genau diesem Anspruch wird er gerecht.

Der Autor Mirko Seebeck stellt in einer sympathischen Aufreihung „100 außergewöhnliche Orte, die man nicht verpassen sollte“ in einem handlichen Format und zur Verfügung. Ausgestattet mit einem weiteren Stadtplan für die konventionell-analogen Touristen oder einer passenden App für die digitale Generation, kann man sich quer durch die Stadt bewegen. Zu Fuß, mit der Tram mit dem Rad. Alles ist möglich und in der Beschreibung gut gekennzeichnet. Überraschender Weise sind die Orte nicht so aneinandergereiht, dass man zügig durch das Buch und damit durch Breslau kommt. Die Aneinanderreihung folgt hier einer geheimnisvollen, eigenen Logik, um auf diese Weise möglichst viel Wegstrecke zurück zu legen. Wozu das gut ist? Ganz klar, die Nutzer der Lektüre durchqueren immer wieder aufs Neue die Stadt und dabei nicht nur ihr Zentrum mit den bekannten touristischen Attraktionen. Die angepriesenen Ziele sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Diese Methode hat ein paar sehr angenehme Nebeneffekte. Vorteil eins: es gibt im wahrsten Sinne des Wortes viel zu sehen. Vorteil zwei: reichlich Bewegung. Vorteil drei: man wird hungrig und durstig und das mündet in Vorteil vier: so werden die herrlichen Empfehlungen einer illustren gastronomischen Vielfalt von deftig bis delikat allesamt getestet. Fakt ist: hier muss nichts abgearbeitet werden. Es ist ein Vorschlag, den man gern beherzt, eine Einladung, der man nicht widerstehen kann.

Seebeck geht mit den Besuchern auf eine Exkursion. Er nimmt sie dabei behutsam an die Hand und zerrt sie dabei nicht von Highlight zu Highlight. Diesen Anspruch nimmt er wörtlich und verrät sich dabei selbst. Seine Begeisterung für alternative Kultur und die Leidenschaft für die traditionelle polnische Küche genauso, wie für angesagte Verköstigung nach modernen Ansprüchen. Letztlich zieht sich auch der historische Zusammenhang, der parallel dezent und unaufgeregt vermittelt wird, wie ein Faden durch sein Buch. Es wird mit viel Liebe fürs Detail eine lebendige Stadt mit den Ereignissen ihrer eigenen Geschichte vorgestellt. So werden zum Beispiel architektonische Nachkriegs-brüche erklärt, nicht vorgeführt oder verurteilt. Man ist hier nicht nur in der Stadt Breslau bis 1945 unterwegs, sondern auch nach 1945, im polnischen Wrocław. Viel Zeit ist seit dieser Zäsur verstrichen und darüber lohnt es sich zu berichten. Dieser Auftrag ist perfekt umgesetzt. Im hier und jetzt erlebt man die Metropole an der Oder, fernab einer oberflächlichen Vergangenheitsverklärung im Schnelldurchlauf. Grundsympathisch dabei ist, dass sich der Herausgeber mit der sonst üblichen Reiseführerlogik, der Aneinander-reihung von Ereignissen, Jahreszahlen und Namen deutlich zurückhält.  Stattdessen wird mit Augenzwinkern gern mal eine Anekdote gereicht und damit der Spannungsbogen für ein anhaltendes Interesse gehalten.  

Klar, der Autor trifft den Nerv der Zeit. Spontane, urbane und hipp bespielte Orte und Erscheinungen werden hier vorgestellt. Dieser „hilfreiche Begleiter zum Entdecken“ ist Freizeitgestaltung vom Feinsten bis hin zu einem Tipp, bei dem man das empfohlene Bistro selbst „irgendwo im Osten der Stadt“ suchen muss. Das macht Spaß, denn so funktioniert Stadtentdecken. Wenn man sie noch nicht kennt, die Diva am Oderstrand, macht dieser Reiseführer neugierig auf sie mit ihren unverwechselbaren Eigenheiten. Und wenn man sie vermeintlich kennt, diese Tausendjährige, ist das kleine Ziehen geweckt, was gern mal als Sehnsucht bezeichnet wird. Es steht außer Frage: diese originelle Liebeserklärung auf über 200 Seiten an Breslau wird man erwerben und im Anschluss umgehend auf dem Bahnhof dazu die Fahrkarte nach Wrocław. Danke, Mirko Seebeck.

Das im Verlag WroclawGuide.com erschienene Buch „Wrocław/ Breslau – ein alternativer Reiseführer“ wird demnächst in einer Autorenlesung mit Mirko Seebeck im Schlesischen Museum zu Görlitz vorgestellt.

Text: Matthias Voigt, Museumspädagoge am Schlesischen Museum zu Görlitz und Breslau-Liebhaber

Info zum Verlag und kleine Leseprobe unter: Ein Reiseführer für Breslau (Wroclaw) mit 100 außergewöhnlichen Orten (wroclawguide.com)

Cover