In den Sudeten werden Bahnlinien und Bahnhöfe revitalisiert

Zackenbahn, die höchst gelegene Bahnlinie in Polen, erlebt eine Renaissance

Zuletzt wurde der Bahnhof in Ober-Schreiberhau (Szklarska Poręba Górna) saniert und um neue Funktionen erweitert.

Zur Bahn sagen manche, sie sei überholt, denn bald kommt die Ära der Elektromobilität. Andere erinnern sich gerne an Zugreisen und Ausflüge in die Berge, ans Meer oder sogar an das tägliche Pendeln mit dem Zug zur Schule und zur Arbeit. Als Entwicklungsland hat Polen seine Transportmittel für die Zukunft noch nicht klar definiert. Durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch am Ende der Volkrepublik und den Neustart nach der Wende brach die Eisenbahn, aber auch der Busverkehr zusammen. In Hunderten oder Tausenden von Städten und kleineren Orten fuhren keine Züge mehr, und die Menschen stiegen auf das Auto um. Die noch verbliebenen Zugverbindungen waren ein Ärgernis: langsame, schmutzige, alte Züge, die auf baufälligen Gleisen fuhren, Bahnhöfe, die sich über Nacht in sehr unangenehme Orte wie aus Horrorfilmen verwandelten. Nach zwei Jahrzehnten dieses Zustandes sind Millionen von Polen der Züge überdrüssig geworden und haben sich an das Auto gewöhnt. Und obwohl heutzutage jeder bewusste Erdenbürger weiß, dass PKWs den Planeten vergiften, fällt es uns schwer, auf das eigene Auto zu verzichten.

Doch nicht nur Freunde von Retrofahrten mit Dampfloks und Schmalspurbahn und Retro-Picnics auf Bahnhöfen kehren zur Bahn zurück. Bergdörfer, die schon immer schwer zu erreichen waren und nur über sehr begrenzte Zufahrtsstraßen und Parkplätze verfügen, sind von dem massiven Ansturm der Autofahrer stark betroffen. Die Abgase, der Lärm und die Staus lassen sehnsüchtig auf das “Relikt” aus dem 19. Jahrhundert zurückblicken. Das wissen auch die Einwohner von Bad Flinsberg (Świeradów-Zdrój), Krummhübel (Karpacz) oder Schreiberhau (Szklarska Poręba). Nur die letzte der Bergstädte schaffte es wie durch ein Wunder, den ununterbrochenen Zugverkehr durch die turbulente Wendezeit zu behalten, vielleicht dank der Tatsache, dass hier eine grenzüberschreitende Linie nach Tschechien verläuft. Und obwohl das letzte Teilstück vom Hauptbahnhof bis zur Grenze seit den 1950er Jahren nicht mehr befahren war – es war dieser Abschnitt, der die gesamte Strecke vor dem Aussterben bewahrte.

Die Zakenbahn von Hirschberg (Jelenia Góra) nach Reichenbach (Liberec) ist eine wichtige und gut frequentierte Strecke.

Nach 20 Jahren intensiver Aktivitäten für die Wiederherstellung der Verbindung zur Tschechischen Republik, nach den Bemühungen lokaler Aktivisten und Politiker, der Gewinnung von europäischen Geldern und der Erfüllung vieler verfahrenstechnischer Voraussetzungen, fuhr am 2. Juli 2010 offiziell der erste Zug vom Bahnhof Ober-Schreiberhau über Jakobsthal nach Harrachsdorf und Wurzelsdorf. Die Zackenbahn bedient wieder Fahrgäste wie seit 1902, als die gesamte Strecke von Hirschberg nach Reichenberg endlich fertiggestellt wurde. Auch wenn man am Bahnhof Ober-Schreiberhau umsteigen muss (man kann nicht mit dem gleichen Zug von Breslau oder von Hirschberg nach Reichenberg fahren), gibt es dennoch Grund zur Zufriedenheit. Wie beliebt die Zugverbindung ist, beweist die Zahl der Touristen, die zum Wandern, Radfahren und Langlaufen ins Iser- und Riesengebirge kommen. An Winter- oder Sommerwochenenden ist es schwierig, sich in den Wagen zu quetschen.

In Schreiberhau-Jakobsthal (Szklarska Poręba-Jakuszyce) wird das Niederschlesische Sportzentrum gebaut. Es soll ein Zentrum werden für Langlauf- und Biathlon-Läufer, Radfahrer, sowie Adepten anderer Sportdisziplinen, Profis und Amateure, die das ganze Jahr über hier zum Training kommen. Das Isergebirge bietet hervorragende klimatische Bedingungen. Möglicherweise war eines der Argumente für den mehrere hundert Millionen Zloty teuren Bau eben der Zug, der direkt vor der Tür Halt macht. Dadurch wird es möglich sein, den Autotransport zu begrenzen. Und wenn die Abschnitte der internationalen Straße S3, die Polen mit der Tschechischen Republik verbindet, endlich verbunden sind, kann auch der Schwerlastverkehr durch das Isergebirge entfallen. Die Natur wird sich erholen.

Der Bahnhof Ober-Schreiberhau nach der Sanierung – mit neuem Glanz und neuer kultureller Nutzung.

Die Achillesferse dieser positiven Veränderungen ist immer noch der Zustand der Bahnhöfe. Nicht nur auf der Bahnlinie 311 von Hirschberg bis zur tschechischen Grenze. Das betrifft Hunderte von kleinen und mittleren Stationen in Polen, darunter viele in Schlesien. Auch wenn die staatliche Eisenbahngesellschaft Polskie Koleje Państwowe (PKP, Polnische Staatsbahnen) in den letzten Jahren viel getan hat, um dies zu ändern, sind die kleinen Bahnhöfe, die noch vor 1945 von deutschen Bewohnern der Region errichtet wurden, entweder in einem schlechten Zustand oder existieren nicht mehr. Die verkommenen Bauten, vor Touristen aus den Fenstern der Züge gesehen, sind keine gute Visitenkarte der jeweiligen Orte. Auch ihre Bewohner sind mit der Situation unzufrieden. Deshalb versuchen die lokalen Politiker und Gremien, die PKP zur Renovierung zu bewegen. Sie sind auch bestrebt, die Stationen zu übernehmen und sie in eine nützliche Einrichtung zu verwandeln. Dies geschah an vielen Orten in Schlesien, auch im Gebirge. Der erste im Riesengebirge war der Bahnhof Krummhübel. Der Zugverkehr am Fuße der Schneekoppe wurde im Jahr 2000 eingestellt. Nach 12 Jahren zog die Stadt mit dem Spielzeugmuseum und der Stadtbibliothek in den renovierten Bahnhof. Auch wenn das Gebäude nicht dem Verkehr dient, so dient es doch weiterhin der Kommunikation – der kulturellen und zwischenmenschlichen.

Das Schicksal des Schmalspurbahnhofs in Reichenau (Bogatynia) war etwas anders. Nach der Stilllegung der Eisenbahnstrecke von Zittau nach Frýdlant in Tschechien wurde der Bahnhof seit den 1960er Jahren als Busbahnhof genutzt. Als das örtliche Busunternehmen in Konkurs ging, wartete das Gebäude mehrere Jahre lang auf eine gute Idee zur neuen Nutzung und Entwicklung. Im Jahr 2014, übergab die Stadtverwaltung das Gebäude an Nichtregierungsorganisationen, von denen eine darin eine historische Ausstellung einrichtete – die Keimzelle des Stadtmuseums, die “Historische Station”. Leider sind die kühnen Pläne aufgrund verschiedener Probleme und fehlender Mittel noch nicht ausgearbeitet, aber das Wichtigste ist, dass der erste Schritt getan ist. Die Station in Bad Flinsberg war eine weitere, die seit 1996 verfallen war. Nach 20 Jahren begann die Revitalisierung, und nach weiteren drei Jahren wurde das erste Kulturhaus in der Geschichte des Ortes offiziell eröffnet. Der Name bezieht sich auf die frühere und zugleich zukünftige Funktion des Gebäudes – “Bahnhof der Kultur”.

Alle oben genannten Gebäude wurden von der PKP an die lokalen Behörden übergeben. Die PKP hatte nicht vor, die Bahnverbindungen auf den dazugehörigen Strecken wiederaufzunehmen und war den Ballast der Bahnhöfe los. Die Lokalregierungen geben jedoch die Hoffnung, den Zugverkehr wiederherzustellen, nicht auf. Die Wojewodschaft Niederschlesien hat ihre eigene Bahngesellschaft, Koleje Dolnośląskie (Niederschlesische Bahn), der viele – für die PKP unrentable – Linien besitzt und bewirtschaftet.

Auch in Schreiberhau versucht die Gemeindeverwaltung seit Jahren, die drei verbliebenen Stationen zu übernehmen: Nieder-, Mittel- und Ober-Schreiberhau. Alle drei werden ständig von Zügen angefahren und die Gleise gehören der PKP. Diese will hier aber die Gebäude nicht loswerden. Auch wenn ihr Zustand beklagenswert ist bzw. war. War – im Falle der Station Ober-Schreiberhau. 2019 beschloss der Eigentümer schließlich, die Station zu renovieren. Die im Frühjahr 2021 abgeschlossene Kapitalsanierung des auf 708 m Höhe gelegen Gebäudes kostete rund 5 Millionen Euro und umfasste auch das unmittelbare Umfeld. Das Gebäude hat seine bahntechnischen Funktionen mit Wartesaal, Fahrkartenschalter, Räumen für den Verkehrsdienst beibehalten, auch eine kleine Gastronomie ist da. Für eine Familie, die im Bahnhofsgebäude wohnte, hat das örtliche Rathaus eine Wohnung zur Verfügung gestellt, damit diese ausziehen kann. In diesen Räumen wurde eine kleine Herberge eingerichtet. Die meisten der verbliebenen Räume wurden an die Stadt für kulturelle Zwecke verpachtet. In Schreiberhau gibt es seit einigen Jahren ein Kulturzentrum, aber die Räumlichkeiten der ehemaligen kleinen Schule waren für einige Aktivitäten nicht geeignet. Bisher fehlte ein großer Saal für Veranstaltungen mit Beteiligung der Öffentlichkeit. Außerdem wird der Bahnhof als Ausstellungs- und Kinosaal genutzt (nach 30 Jahren kehrt das Kino in die Stadt zurück!), sowie als Ort für lokale Künstler. Schreiberhau, der malerische Ort unterhalb des Reifträgers, reiht sich damit in die Liga der Städte ein, in denen Bahnhöfe eine neue, attraktive Funktion bekommen haben – der kulturellen Kommunikation.

Von einem allgemeinen Erfolg des Ortes kann aber erst dann die Rede sein, wenn auch die beiden kleineren Bahnhöfe in Mittel- und Nieder-Schreiberhau revitalisiert sind. Die Holzgebäude mit ihrer interessanten Bergbahnarchitektur von der Wende des 19. und 20. Jahrhunderts könnten nicht nur für Eisenbahnfreunde ein Leckerbissen werden, sondern auch Touristen mit einer neuen Funktion im 21. Jahrhundert dienen. Das Gleiche gilt für den viel größeren Bahnhof in Petersdorf (Piechowice), der einige Kilometer weiter unten liegt. Auch die Bahnstrecke von Hirschberg braucht Investitionen. Die Rekonstruktion der Ausweiche in den unteren Stationen von Schreiberhau ist notwendig. Manche Bahnvisionäre träumen sogar von internen Strecken innerhalb von Schreiberhau – von der Talstation bis Jakobsthal (Jakuszyce) sind es 14,5 km. Elektrischer Zugverkehr? Nichts Neues auf der Welt, aber in den Sudeten wäre es ein Hit!

Auf der Strecke von Hirschberg nach Schreiberhau wartet noch ein schöner und relativ großer Bahnhof auf eine Idee zu seiner Revitalisierung. Der Bahnhof in Petersdorf (Piechowice) könnte ein interessanter kultureller oder touristischer Ort werden.

Text und Fotos: Arkadiusz Lipin
Redaktion und Übersetzung: Agnieszka Bormann