Das Tadeusz-Różewicz-Jahr 2021 in Wrocław (Breslau)

Der Dichter, Dramatiker, Prosaist und Drehbuchautor war über 40 Jahre lang mit der Odermetropole verbunden

Das polenweite Tadeusz-Różewicz-Jahr wurde hier deswegen besonders ausgiebig gefeiert.

Das sich dem Ende neigende Jahr 2021 war in Polen das Tadeusz-Różewicz-Jahr. Der Dichter, Dramatiker, Prosaist, Drehbuchautor und Ideengeber des Absurd-Theaters wurde vor 100 Jahren geboren und war über vierzig Jahre mit der niederschlesischen Hauptstadt verbunden. Kein Wunder also, dass er hier besonders geehrt wurde.

Tadeusz Różewicz (1921-2014) war einer der kreativsten Vertreter der europäischen literarischen Avantgarde, Schöpfer eigener Poetik, Preisträger zahlreicher Literaturpreise. Mehrmals wurde er als Kandidat für den Literaturnobelpreis genannt. Und er war der meistübersetzte polnische Dichter (seine Werke wurden in über fünfzig Sprachen übersetzt) und ist der meistgespielte polnische Dramatiker.

Seit 1968 wohnte und wirkte er in Wrocław. Deshalb hat sich die Stadt entschieden, den 100. Geburtstag ganz speziell zu feiern. Konzerte, Vorlesungen, Vorträge, Filme, Theaterstücke, Ausstellungen, neue Biographien, CDs mit den vertonten Gedichten – eine Fülle von Veranstaltungen fand verteilt über das ganze Jahr statt.

Als eine letzte Aktion wurde vor kurzem eine Bank für den Dichter aufgestellt, eine Idee der Kulturabteilung der Stadtverwaltung und des Breslauer Stadtmuseums. Nach einigen Tagen ist sie aber verschwunden. Worum ging es? Eigentlich passt die ganze Geschichte zum Absurd-Theater, auch wenn sie der Wirklichkeit entspringt.

Die vorherige – originelle Bank – „die Tadeusz-Rożewicz-Bank“.

Tadeusz Różewicz wohnte viele Jahre in der Nähe des Südparks und ging regelmäßig dorthin spazieren. Er setzte sich auf eine Bank (immer dieselbe) und sammelte Eindrücke für seine dichterische Tätigkeit. Oft hat er sich dort auch mit verschiedenen Vertretern des kulturellen Lebens in Wrocław getroffen, u. a. Professor Janusz Degler – polnischem Literatur- und Theaterwissenschaftler. Deshalb wurde die Entscheidung getroffen, den Dichter mit einer Bank im Südpark zu würdigen.

Die Bank wurde vorbereitet und enthüllt – und da war die Hölle los… Es ging nicht nur um die Form. Die Bank wurde aus Stein gemacht. Sie sollte an eine historische Bank aus dem Park erinnern, die 1912 für den bedeutenden Frauenarzt und Stadtrat Ernst Freankel gestiftet wurde (ein Projekt von der bekannten Bildhauerin Ilse Twardowski-Conrat). Aber die neue Bank wurde aus Granit gemacht und weckte Assoziationen mit einem Grabstein. Jedenfalls sitzen konnte man auf ihr nicht. Mindestens nicht lange.  

Vielmehr ging es aber darum, dass sich der Dichter explizit kein Denkmal und keine Bank in Wrocław wünschte. Die Geschichte erzählte der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt – Rafał Dutkiewicz, der mit dem Dichter befreundet war (mehr davon in dem Buch Der Zauberer von Breslau, SILESIA News berichtete). In vielen Städten stellt man nämlich heutzutage nach dem Tod von einer bekannten Persönlichkeit eine Bank, meistens mit der Bronzefigur dieser Person. Dutkiewicz musste Różewicz versprechen, dass es nie eine Bank mit seiner Gestalt in Wrocław entsteht. „Tadeusz Różewicz sagte mir noch zu seinen Lebzeiten: Solange er lebt, kann er selbst entscheiden, wer sich neben ihn setzt. Und wenn er stirbt, hätte er keinen Einfluss darauf. Und wenn sich ein Idiot neben ihn setzt, was macht er da? Deshalb habe ich ihm versprochen, keine Bank zu machen“ – berichtete Dutkiewicz.

Der Südpark sieht immer malerisch aus – sowohl im Sommer als auch im Winter.

Zwar war die Bank in dem Südpark ohne irgendwelche Figur, aber immerhin löste sie eine lebhafte Diskussion aus, wie weit sie mit dem Willen des Dichters zu vereinbaren sei. Er wünschte sich jedenfalls im öffentlichen Raum nicht gewürdigt zu werden. Es wäre vielleicht besser gewesen, die alte hölzerne Bank, auf der er so gerne saß, stehen zu lassen und sie mit einem kleinen Zitat zu verzieren?

Die neue Bank wurde jedenfalls abgetragen. Die Absichten waren gut, aber die etwas absurde Geschichte endete ohne Happy End.

Tadeusz Różewicz wurde, seinem letzten Willen entsprechend, neben dem großen Pantomime-Schauspieler und Regisseur Henryk Tomaszewski auf dem kleinen Friedhof an der Kirche Wang in Karpacz (Krummhübel) im Riesengebirge beigesetzt.

Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka  

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