Breslauer WuWA mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet

Die Werkbund-Siedlungen, darunter WuWA in Breslau/ Wrocław, wurden von der Europäischen Kommission als wichtige Kulturerbestätten anerkannt.

Die große Wohnung und Werkraum-Ausstellung (WuWA) entstand 1929.

Zwei Orte in Schlesien werden 2020 mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet: die Breslauer WuWA als Teil des Netzwerkes der Werkbundsiedlungen 1927-1932 und der Lager- und Friedhofskomplex Lamsdorf/ Łambinowice.
 

Europäisches Kulturerbe-Siegel

Mit dem Siegel werden europäische Kulturerbestätten ausgezeichnet, die Meilensteine auf dem Weg zur Schaffung des heutigen Europas sind. Diese Stätten, die sich von den Anfängen der Zivilisation bis zu dem Europa, das wir heute kennen, erstrecken, feiern und symbolisieren europäische Ideale, Werte, Geschichte und Integration.

Seit 2013 werden diese Stätten sorgfältig ausgewählt, und zwar anhand ihres symbolischen Werts, ihrer Rolle in der europäischen Geschichte und der von ihnen angebotenen Aktivitäten, die die Europäische Union und ihre Bürger einander näherbringen. Das Hauptziel der Initiative zur Verleihung des Europäischen Kulturerbes ist die Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls zur Europäischen Union bei den europäischen Bürgern, insbesondere bei jungen Menschen, um zu zeigen, wie wichtig die gemeinsamen Werte und Elemente der europäischen Geschichte und des kulturellen Erbes sind.

 

Im aktuellen Bewerbungsverfahren haben sich 19 Stätten um das Siegel beworben. Mit den zehn neuen Stätten steigt die Zahl europaweit auf insgesamt 48.

Die Werkbundsiedlungen

Die Werkbundsiedlungen sind zwischen 1927 und 1932 in Stuttgart, Brünn, Breslau, Zürich, Wien und Prag entstanden und haben die Architekturentwicklung im 20. Jahrhundert wesentlich beeinflusst. Aus der Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg gewachsen, bilden sie heute ein europäisches Kulturgut von außergewöhnlichem Rang. In ihrer Gesamtheit sind die Werkbundsiedlungen herausragende Zeugnisse der gemeinsamen Wurzeln moderner Architektur und ihrer Verbreitung in Europa. Sie verdeutlichen die biografischen, kulturellen und architekturtheoretischen Verflechtungen der europäischen Avantgarde über Ländergrenzen hinweg.

Das Netzwerk der Werkbundsiedlungen 1927-1932 wurde 2013 in Stuttgart gegründet, wo auch die erste große Bauausstellung 1927 stattfand. In diesem Netzwerk haben sich bedeutende Werkbundsiedlungen Europas zusammengetan und gemeinsam für die Ehrung dieser Architekturstätten eingesetzt. Der Antrag auf das Kulturerbe-Siegel wurde unter Federführung der Landeshauptstadt Stuttgart und des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg erarbeitet und im Frühjahr 2019 für das gesamte Netzwerk bei der Europäischen Kommission eingereicht. Das Netzwerk richtet sich mit seiner Arbeit insbesondere an die junge Generation und schafft Orte, die länderübergreifendes Kulturerbe erlebbar machen. Zudem fördert das Netzwerk den internationalen Erfahrungsaustausch zum Denkmalschutz und dem baulichen Erhalt der Siedlungen.

Die Siedlungen haben turbulente Zeiten überdauert und wurden maßgeblich durch die verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen im Europa des 20. Jahrhunderts geprägt. Ursprünglich wurden die Siedlungen gebaut, um neue Wege zur Beseitigung der Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg zu beschreiten. Nicht immer hatten es die Siedlungen einfach, die progressiven Ideen einer neuen Architektur der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln und wurden ab dem zweiten Weltkrieg stark vernachlässigt.

 

Erst nach dem Fall des “Eisernen Vorhangs” wurde der Wert der Siedlungen als Impulsgeber zum Stil der Moderne wiedererkannt. Heute stehen die Werkbundsiedlungen als Beispiel für die Entstehung der modernen Architektur mit sozialen, emanzipatorischen, ästhetischen und technologischen Ansprüchen. Über kulturelle und touristische Institutionen sowie die Hochschulen der Städte werden die Werkbundsiedlungen in Europa für die Öffentlichkeit erlebbar.

WuWA in Breslau/ Wrocław

Nach dem internationalen Erfolg der Stuttgarter Werkbundausstellung im Jahre 1927 entstand 1929 in Breslau ebenfalls eine große Bauausstellung mit dem Titel „Wohnung und Werkraum-Ausstellung“ (WuWA). Sie hatte das Ziel, neue Formen zeitgemäßen Wohnens und Arbeitens zu präsentieren.

 

32 Gebäude mit 132 voll eingerichteten Wohneinheiten konnten drei Monate lang besichtigt werden. Die Konzepte hatten teilweise eine stark experimentelle und sozialutopische Ausrichtung und versuchten, auf die gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit zu reagieren – beispielsweise auf die veränderte Rolle der Frau in Familie und Arbeitswelt.

 

Während Breslau im Zweiten Weltkrieg zu mehr als 80% zerstört wurde, blieb die Siedlung nahezu unversehrt. Aus deutschem Breslau wurde nach dem Krieg polnisches Wrocław, die Stadt und die Siedlung bekamen neue Bewohner. 

 

In Fachkreisen war man sich früh des außergewöhnlichen Wertes der WuWA bewusst.  1972 wurde das Ledigenheim von Hans Scharoun unter Denkmalschutz gestellt, 1979 alle Häuser der WuWA. Seit 2007 gilt der Denkmalschutz für das gesamte Ensemble. Seit 2006 ist die benachbarte Jahrhunderthalle UNESCO-Weltkulturerbestätte, die WuWA-Siedlung liegt in der Pufferzone.

 

Heute ist WuWA voller Leben und wird oft von Bewohnern und Touristen besucht. Nach einer Reihe erfolgreicher Revitalisierungen und dank der guten Lage am beliebten Szczytnicki-Park und in der Nähe der Jahrhunderthalle ist es ein hochattraktiverer Ort für Erkundungen. Vor Ort wurde ein Informationspunkt mit dem InfoWuWA-Café eingerichtet, mit freiem Zugang zu Veröffentlichungen und Präsentationen über die historische Breslauer Siedlung.

 

Weiterführende Informationen zum Europäischen Kulturerbe-Siegel unter:
https://ec.europa.eu/programmes/creative-europe/content/ten-new-sites-a-warded-european-heritage-label_en

Mehr über das Netzwerk der Werkbund-Siedlungen, u. a. über WuWA, lesen Sie unter: https://werkbund-estates.eu/

Bildquelle: www.wroclaw.pl