Der erste „Plattenbau“ Oberschlesiens
Vor 98 Jahren entstand in Zabrze das Stahlhaus. Anders als erwartet, revolutionierte das Projekt den Wohnungsbau nicht.
Nur 24 Tage brauchten 16 Bauarbeiter, um das Gebäude in der Friedhofstraße (heute ulica Cmentarna) in Zabrze (1915-1945 amtlich: Hindenburg) zu errichten. Die Rekord-Bauzeit bestätigte sogar das Magistrat mit einer speziellen Urkunde. Wie in einer Broschüre des Konzerns Oberschlesische Hüttenwerke A.G. (Oberhütten) mit Stolz hervorgehoben wurde, war das am 15. Juli 1927 begonnene Stahlhaus bereits am 12. August „schlüsselfertig, trocken und bezugsfertig“ gewesen.


Das Gebäude entstand aus sieben Platten, die in der nur einige hundert Meter vom Standort des Stahlhauses gelegenen Donnersmarckhütte hergestellt wurden. Vor Ort wurden die einzelnen Großelemente mit Nieten und Schrauben verbunden. Die Innenräume waren mit gewöhnlichen Ziegeln ausgelegt. Somit ist die Behauptung, dass man in die Wände des Hauses an der Friedhofstraße keinen Nagel schlagen könne, nur eine lokale Legende. In dem zweigeschossigen, bis heute existierenden und unter Denkmalschutz stehenden Gebäude gibt es vier Wohnungen, jede mit einer Fläche von ca. 50 m².


Der Initiator des Experiments, der erwähnte Konzern Oberhütten – Oberschlesische Hüttenwerke A.G. mit Hauptsitz in Gleiwitz (Gliwice), dem auch die Donnersmarckhütte gehörte, hoffte, mit der aus den USA übernommenen Idee den Wohnungsbau in der Region zu revolutionieren. Nicht nur könne man Häuser aus Stahlplatten sehr schnell bauen. Solche leichten Konstruktionen würden sich auch für jene Gebiete sehr gut eignen, in denen Bergbautätigkeit geführt wird – behauptete man. Oberhütten startete daraufhin eine großangelegte Werbekampagne. Der eigens zu diesem Zweck herausgegebene Katalog präsentierte elf Varianten von Stahlhäusern. Doch erwies sich das Angebot letzten Endes offensichtlich nicht als überzeugend, denn die erwarteten Aufträge blieben aus. Nichts wurde auch aus der vielversprechenden Anfrage der ostpolnischen Stadt Brody (heute Ukraine), die an 50 Stahlhäusern Interesse bekundet hatte. Einige Jahre später wurden in Rokittnitz (Rokitnica), heute Stadtteil von Zabrze, aus den ebenfalls in der Donnersmarckhütte hergestellten Stahlplatten vier weitere Häuser errichtet. Ihre Form unterschied sich jedoch von denen in der Friedhofstraße, da sie stilistisch an die anderen Gebäude der Graf Ballestrem´schen-Siedlung angepasst wurden. Trotz dieser Experimente blieb der Ziegel bis in die 1960er Jahre als Baumaterial konkurrenzlos in Oberschlesien.
Text: Dawid Smolorz