Mitte der 1930er Jahre gab es in den Sudeten 35 Skisprungschanzen
Die wichtigste und modernste davon war die Himmelsgrundschanze in Schreiberhau (Szklarska Poręba).
Aus heutiger Sicht ist die Zahl von 35 Sprungschanzen beeindruckend. Denn derzeit gibt es nur noch die Orlinek-Schanze (ehemals Koppenschanze) in Karpacz (Krummhübel), die zwar spektakulär ist, aber seit mehreren Jahren nicht mehr von Sportlern genutzt wird. Sie eignet sich jedoch als guter Aussichtspunkt. Die zweite Schanze, die keine komplette Ruine ist, befindet sich in Lubawka (Liebau). Aber auch dort hat seit mehreren Jahren kein einziger Wettkampf mehr stattgefunden. Und das ist eigentlich alles.

Was waren das für Schanzen
Andererseits waren viele dieser 35 Sprungschanzen kleine Anlagen, die Sprünge von maximal 30 bis 40 Metern ermöglichten, oft sogar deutlich weniger. Als Trainingssprungschanzen oder für lokale Wettkämpfe waren sie damals jedoch durchaus geeignet. Etwas größere Anlagen – die man unter den damaligen Bedingungen als mittelgroß bezeichnen kann – gab es beispielsweise in Duszniki-Zdrój (Freudenbergschanze in Bad Reinerz), Sokolec (Eulenschanze in Falkenberg) oder Sokołowsko (Freudengrundschanze in Görbersdorf). Dort wurden auch größere Wettbewerbe organisiert.
Eine größere oder kleinere Sprungschanze gab es wohl in jedem Gebirgszug der Sudeten. Dabei ist zu beachten, dass ihre Instandhaltung im Winter einfacher war als heute, da Schnee damals keine Mangelware war.
Und noch etwas: Man sollte sich nicht zu sehr auf die Zahl 35 fixieren. Es handelt sich um eine Statistik aus einer bestimmten Zeit. Damals entstanden und verschwanden Skisprungschanzen, insbesondere kleine, recht häufig, sodass es in verschiedenen Jahren mehr oder weniger davon gab. Man kann aber von einigen Dutzend sprechen.

Was ist eine Skisprungschanze?
Die wichtigsten Sprungschanzen befanden sich jedoch im Riesengebirge. Die erste Anlage dieser Art – und überhaupt die erste in den Sudeten – entstand in Schreiberhau (Szklarska Poręba) an der Neuen Schlesischen Baude (Schronisko na Hali Szrenickiej) und war seit 1905 in Betrieb. Es handelte sich dabei um eine unbeständige, temporäre Anlage, wie sie für Pionierzeiten typisch war. Das einzige relativ dauerhafte Element einer solchen Pionier-Schanze war vielerorts nur eine Holzschwelle. Von einer Profilierung der Landebahn konnte beispielsweise keine Rede sein. Auch ein Anlaufturm, Richtertürme, Zuschauertribünen, Beleuchtung usw. waren nicht vorhanden. All dass kam erst später hinzu.
Erst im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts kam das Skifahren in den Sudeten auf. Zuvor waren Skier hier völlig unbekannt. Erst im Januar 1897 fand auf der Bergweide an der Neuen Schlesischen Baude (Hala Szrenicka) das vielleicht erste „Skirennen” in den Sudeten statt, also etwas, das wahrscheinlich einer Kombination aus Lauf und Abfahrt ähnelte. Im Jahr 1900 wurde in Schreiberhau (Szklarska Poręba) der erste Skiclub in Schlesien gegründet. Man wählte für ihn den poetischen Namen Windsbraut. Die Nutzung der saisonalen Sprungschanze kann als weiterer Schritt in der Entwicklung des Skisports angesehen werden.
Ein bahnbrechendes Bauwerk in Schreiberhau
Ein wichtiges Ereignis für die Entwicklung der Infrastruktur war die Eröffnung der bereits erwähnten Koppenschanze im Jahr 1912, die zwar bereits den Charakter eines Bauwerks hatte, den Springern jedoch große Schwierigkeiten bereitete. Erst nach der Modernisierung in den 1920er Jahren wurde es besser, sodass dort nun Sprünge von bis zu etwa 50 Metern möglich waren, wobei diese Grenze meist nicht überschritten wurde.
In Schreiberhau entstand 1924 die Zackelfallschanze (neben der Zackelfallbaude, unweit des Zackelfalls (Wodospad Kamieńczyka). Es handelte sich um eine relativ kleine Schanze mit einem Konstruktionspunkt von K32 (sie wurde 1940 abgerissen).

Ein Durchbruch war jedoch der Bau der Himmelsgrundschanze in Schreiberhau. Die Arbeiten begannen im Herbst 1930, und die ersten Sprünge wurden dort bereits im Winter 1930/1931 durchgeführt, noch während der Bauarbeiten an der Schanze. Dabei ging es darum, ihr Profil zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren. Das Projekt wurde sehr ernst genommen – während des Baus wurden 300 kg Sprengstoff (zum Sprengen von Felsen) verwendet.
Der erste Wettkampf fand jedoch erst in der folgenden Saison statt. Am 14. Februar 1932 wurden hier sogar die Deutschen Meisterschaften ausgetragen. Sieger wurde Paul Henkel aus Oberhof mit 55,5 Metern. Damals ermöglichte die Konstruktion der Schanze Sprünge von etwa 60 Metern. Das war keineswegs die größte Weite in den Sudeten – in dieser Hinsicht führte die Schanze in Liebau (Lubawka) mit 70 Metern.
Was geschah nach 1945
Nach dem Krieg wurde die Himmelsgrundschanze weiterhin genutzt, nun unter dem neuen Namen „Skocznia przy Owczych Skałach” (Schanze an den Schafsfelsen). 1956 wurde die Anlage umgebaut und der Konstruktionspunkt auf 68 Meter verlegt. Im Jahr 1974 sprang Wojciech Fortuna, Olympiasieger von Sapporo, dort 66,5 Meter weit und stellte damit einen neuen Schanzenrekord auf. Der technische Zustand der Anlage verschlechterte sich jedoch zunehmend, sodass die Schanze in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre abgerissen wurde.

Die Koppenschanze hingegen musste nach dem Krieg wieder aufgebaut werden – in der Praxis entstand eine völlig neue Konstruktion. In den 1960er Jahren stürzte dort der Anlauf-Turm ein. Die Schanze wurde jedoch nicht aufgegeben. 1978 wurde dort eine neue Anlage eröffnet – eine Stahl-Beton-Konstruktion, die bis heute steht. Während der polnischen Meisterschaften im Skispringen 2004 sprang dort Adam Małysz – die Legende des polnischen Skispringens – 94,5 Meter weit, was bis heute der Rekord der Schanze ist. Und dieser wird in absehbarer Zeit nicht gebrochen werden.
Text: Sławomir Szymański
