Im Dienste der Musik und im Dienste der Heimat

Zum Leben und Werk des schlesischen Musikers und Komponisten Paul Preis

Am 7. September erklingen seine Kompositionen in Haus Schlesien in Königswinter.

„Sein ganzer Lebensinhalt war und ist Arbeit, Arbeit im Dienste der Musik, Arbeit im Dienste der Heimat“, so fasste Erich Schnorr 1960 im Grofschoaftersch Häämtebärnla das Leben und Streben des Glatzer Musikers und Komponisten Paul Preis (1900-1979) anlässlich dessen 60. Geburtstags zusammen. Triebfeder für seine Schaffenskraft und seinen unermüdlichen Einsatz war die Liebe zur Musik und später auch die Liebe zur schlesischen Heimat.

Das musikalische Talent des gebürtigen Glatzers Paul Preis zeigte sich schon in frühen Jahren. Bereits als Achtjähriger erhielt er Musikunterricht und lernte Violine und Klavier zu spielen. Seine Kindheit verbrachte er im glätzischen Schreckendorf, ab 1912 besuchte er dann das katholische Gymnasium in Glatz, wo er auch erste Erfahrungen als Chorleiter sammelte: Der Primaner leitete seinerzeit den dortigen Schulchor. So erstaunt es, dass Preis zunächst eine Berufslaufbahn als Apotheker einschlug. Er erkannte seinen Irrtum jedoch schnell und studierte ab 1920 in Berlin und Dresden Musik.

Paul Preis am Klavier, Foto: Sammlung HAUS SCHLESIEN

Schon in den frühen 1920er Jahren feierte er erste Erfolge sowohl als Musiker in verschiedenen Ensembles als auch als Komponist: Im Jahr 1923 trat er in Görlitz erstmals mit selbstkomponierten Stücken aus seiner Oper „Im Märchenhain“ an die Öffentlichkeit. Den ersten konzertanten Aufführungen folgten bald auch die ersten Werkdrucke und die Gründung einer eigenen Kapelle. Mitte des Jahrzehnts wurde Preis unter Franz Marszalek Pianist im Kosmos-Theater-Konzern in Breslau und folgte ihm wenig später als Kapellmeister. Weitere Wirkungsstätten waren Bad Reinerz und Bad Langenau, wo er als Theater- bzw. Kurkapellmeister tätig war. In dieser Zeit war er nicht nur als Musiker aktiv, sondern auch als Komponist äußerst produktiv: Es entstand eine Vielzahl an Werken, darunter die Operette „Robert und Bertram“ und zahlreiche Heimatlieder. Ende der 1930er Jahre berief ihn schließlich der Habelschwerdter Bürgermeister zum städtischen Kapellmeister und übertrug ihm u.a. die Leitung der neugegründeten städtischen Volksmusikschule. Er leitete außerdem den Männergesangsverein, gründete einen Frauen- und einen Kinderchor und reaktivierte das Orchester. Sein vielfältiges Engagement brachte ihm die Ernennung zum städtischen Musikdirektor ein, eine eigens für ihn geschaffene Stelle.

Der Volkschor in Ostritz 1950, Foto: Sammlung HAUS SCHLESIEN

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte jedoch auch sein ambitioniertes Wirken in Habelschwerdt ein Ende: Noch vor der offiziellen Vertreibung verließ Preis 1945 die Grafschaft Glatz und ließ sich, nachdem er sich von einer schweren Erkrankung erholt hatte, zunächst im sächsischen Ostritz nieder. Dort verdingte er sich in den folgenden sechs Jahren als Kantor in der evangelischen Kirche, gründete dort außerdem einen Chor sowie ein Orchester. Im Jahr 1951 verließ Preis die DDR und musste daraufhin in der Bundesrepublik ein zweites Mal neu beginnen. Dieser zweite Neuanfang gestaltete sich zunächst äußerst holprig. Sein Versuch, in Süddeutschland Fuß zu fassen, blieb erfolglos, bis ihn schließlich ein alter Weggefährte ins Münsterland holte, wo er als freischaffender Künstler tätig war.

Paul Preis bei einem Konzert in Bad Reinerz 1932, Foto: Sammlung HAUS SCHLESIEN

Über eine Zwischenstation in Bielefeld kam er 1956 schließlich nach Lüdenscheid. Seinen ersten großen Auftritt als Dirigent hatte er dort beim Festakt anlässlich des Glatzer Heimattreffens. Dieser hinterließ bleibenden Eindruck: Die Stadtverwaltung Lüdenscheid vertraute ihm die Leitung ihres Orchesters an und damit wurde die Patenstadt von Glatz zum neuen Lebensmittelpunkt des vielseitigen Musikers.

Doch allein die Arbeit mit dem Orchester füllte den umtriebigen Musiker nicht aus und bald leitete er mehrere Chöre, darunter die beiden von ihm gegründeten Ostdeutschen Chöre in Lüdenscheid und Wehdorn. Als Chorleiter und Dirigent verschrieb er sich fortan mit viel Engagement der Pflege und dem Erhalt des schlesischen Kulturerbes. Dabei trat das Komponieren zugunsten publizistischer Tätigkeiten mehr und mehr in den Hintergrund. Akribisch trug Preis über Jahre hinweg Informationen über Glatzer Musiker zusammen und führte dazu rege Korrespondenzen mit früheren Weggefährten und Musikerkollegen. Ergebnis dieser detailreichen Recherchearbeit war die zweibändige Publikation „Musik- und Theaterleben von Stadt und Kreis Glatz“. Darüber hinaus veröffentlichte Preis zahlreiche Aufsätze über die Grafschaft Glatz und das Musikleben dort im Grafschafter Boten sowie im Grofschoafter Häämtebärnle und schuf einen Tonfilm über seine Heimatregion.

Paul Preis starb in seinem 80. Lebensjahr im Juli 1979 in Lüdenscheid und hinterließ ein beachtliches Werk: zahlreiche Kompositionen, darunter Operetten, Heimatlieder, Chor- und Orchesterwerke und eine Vielzahl heimatkundlicher Aufsätze. Bei seiner Beisetzung würdigte der Glatzer Publizist und Schriftsteller Alois Bartsch dies mit den Worten „Paul Preis hat sich durch seine Schöpfungen und sein heimatliches Tun ein Denkmal geschaffen“. Ein Denkmal für ihn befindet sich heute auch auf dem Friedhof in Habelschwerdt (Bystrzyca Kłodzka), wo seit 2009 ein Gedenkstein an den früheren Städtischen Musikdirektor von Habelschwerdt erinnert.

Ein großer Teil seines Nachlasses ist über Umwege in die Sammlung von HAUS SCHLESIEN gekommen. In der Ausstellung „ÜberLebensKünstler. Vier Künstler, zwei Generationen, ein Schicksal: Krieg und Heimatverlust 1945“, die aktuell noch bis 7. September im HAUS SCHLESIEN gezeigt wird, wird u.a. auch ein Blick auf sein Leben und Wirken geworfen und dabei insbesondere der Bruch durch die Vertreibung und deren Folgen in den Blick genommen. Der Nachlass umfasst neben Briefen, Dokumenten und seiner umfangreichen Materialsammlung zu Glatzer Musikern zahlreiche Kompositionen, darunter teilweise handschriftliche Unikate. Es sind jedoch nur wenige Aufzeichnungen von Konzerten erhalten geblieben, sodass bedauerlicherweise seine Werke heute kaum mehr bekannt sind.

Das 2020 gegründete Alafia-Ensemble nimmt sich nun seines Werkes an und entreißt es damit der Vergessenheit. Die sechs Musiker interpretieren in ihrer ungewöhnlichen instrumentalen Zusammensetzung eine Auswahl seiner Kompositionen neu und präsentieren diese am 7. September um 11 Uhr in einem Matineekonzert im HAUS SCHLESIEN. Der Eintritt kostet 9 €, für Mitglieder des Vereins HAUS SCHLESIEN 7 €. Reservierungen sind unter 02244/886-231 oder unter kultur@hausschlesien.de möglich.

Text: Silke Findeisen, Haus Schlesien