Niederschlesien im Aufbruch. Gewerbe und Industrie entlang der Schlesischen Gebirgsbahn

Muzeum Karkonoskie (Riesengebirgsmuseum) in Jelenia Góra (Hirschberg) zeigt die Ausstellung des Schlesischen Museums

Die teilweise erweiterte Präsentation dauert bis zum 18. August 2024.

Am 18. Mai 2024 wurde im Muzeum Karkonoskie (Riesengebirgsmuseum) in Jelenia Góra (Hirschberg) die Sonderausstellung Niederschlesien im Aufbruch. Gewerbe und Industrie entlang der Schlesischen Gebirgsbahn eröffnet. Sie wurde vom Schlesischen Museum zu Görlitz erarbeitet und hier vom 15. September 2023 bis zum 14. April 2024 gezeigt. Am neuen Ort ist die Ausstellung in manchen Teilen überarbeitet und um die ortsspezifische Objekte ergänzt.

Besucherinnen und Besucher werden auf eine Reise entlang der Schlesischen Gebirgsbahn von Görlitz über Hirschberg (Jelenia Góra) nach Waldenburg (Wałbrzych) eingeladen. Es werden charakteristische Gewerbe- und Industrieerzeugnisse aus Orten entlang der Strecke ausgestellt – vom Taschentuch bis zum gut fünf Meter langen Ausziehtisch. Die von Ausstellung zeigt, wie Niederschlesien vom 19. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer bedeutenden Industrieregion heranwuchs – mit technischen Fortschritten und sozialen Umbrüchen.

Die 1867 eröffnete Eisenbahnlinie ermöglichte und beförderte den Aufschwung zahlreicher Gewerbe. Sie war nicht nur das wichtigste Transportmittel für Erzeugnisse der schlesischen Fabriken im Raum Görlitz – Hirschberg – Waldenburg, sondern ab dem Ende des 19. Jahrhunderts auch eine der Innovationsteststrecken für den elektrischen Betrieb. Sie diente zum Testen des neuartigen Antriebs, von Prototypen für E-Loks und Triebwagen. 1911 wurde zwischen Niedersalzbrunn und Halbstadt in Böhmen die erste Strecke in Schlesien elektrifiziert. Die Elektrifizierung der Schlesischen Gebirgsbahn wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, in den 1920er Jahren aber wiederaufgenommen. In der Ausstellung werden zahlreiche Eisenbahnmodelle, Fotos und Dokumente von dieser Strecke gezeigt.

Aus der Vielzahl der Gewerbe und Industriezweige mit ihrer weit über Schlesien hinausreichenden Bedeutung stellt die Ausstellung charakteristische und auch ungewöhnliche Erzeugnisse vor. In Görlitz wurden die Grundlagen geschaffen und Dampfmaschinen und Dampfturbinen produziert, die weltweit Abnehmer fanden. In der Taschentuchstadt Lauban (Lubań) stellten zwischen 1850 und 1945 etwa 35 Fabriken ca. 90 Prozent aller in Deutschland produzierten Taschentücher her. Stolz warb die Stadt mit dem Slogan „Lauban putzt der Welt die Nase“.

Im nahegelegenen Langenöls (Olszyna) entwickelte Robert Ruscheweyh ein anderes Spezialprodukt: den Ausziehtisch. Er besaß das weltweit erste Patent dafür. Die von ihm gegründete Fabrik stellte mit einem 13 Meter langen Exemplar für bis zu 50 Personen den wohl längsten Ausziehtisch der Welt her. In der Ausstellung ist ein immerhin 5,25 Meter langes Beispiel zu sehen.

An verschiedenen Orten in Schlesien wurden Stoffe durch Blaudruck verschönert. In Greiffenberg (Gryfów Śląski) entstand eine Blaudruck-Fabrik, aus der sich später die Greiff-Werke für Berufs- und Arbeitskleidung entwickelten. Sehr viel filigraner sind dagegen in tagelanger Handarbeit gefertigte Spitzen, wahre kleine textile Wunderwerke. Im Raum Hirschberg (Jelenia Góra) blühte diese Textilkunst vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre, protegiert und gefördert von Fürstin Daisy von Press. Sie unterhielt in Hirschberg selbst zeitweise mehrere Spitzenschulen. Dieser Teil der Ausstellung ist in Hirschberg größer als in Görlitz.

Der Eisenbahnausbau ermöglichte es auch Scharen von Touristen, das idyllische Riesengebirge zu entdecken. Wanderer und Skifahrer nahmen stets ein Stück Urlaub aus Rübezahls Reich mit nach Hause: Schnitzereien, Souvenirs und allerlei Krimskrams.

Der Endpunkt der Reise ist Waldenburg (Wałbrzych), im 19. Jahrhundert eine schmutzige Industriestadt mit zahlreichen Kohlevorkommen und -gruben. Die Eisenbahn transportierte nicht nur das „schwarze Gold“ zu Abnehmern im ganzen Deutschen Reich, sondern auch das „weiße Gold“ der Region: feinstes weißes oder farbig dekoriertes Porzellan. Im Raum Waldenburg waren zahlreiche Porzellanfabriken ansässig, darunter auch die Firma Carl Tielsch in Altwasser (Stary Zdrój).

Die Ausstellung ist in Hirschberg bis zum 18. August 2024 zu sehen. Der zweisprachige, deutsch-polnische Katalog ist nach wie vor im Laden des Schlesischen Museums sowie online erhältlich.

Text: Kulturreferat für Schlesien am Schlesischen Museum zu Görlitz