Ortsnamenänderungen in Oberschlesien
Die multiethnische Tradition der Region spiegelt sich unter anderem in den Ortsnamen wider. Im unruhigen 20. Jahrhundert wurden diese häufig zum Opfer nationalistischer Politik.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten fand in den deutschen Ost- und Nordgebieten, d. h. in Ober- und Niederschlesien, Pommern sowie Ostpreußen, eine groß angelegte Umbenennungsaktion. Amtliche deutsche Ortsnamen, die – nach Ansicht der neuen Verwaltung – starke slawische Akzente enthielten und damit nicht deutsch genug waren, wurden durch „rein deutsche“ ersetzt. Allein in der von Oppeln (Opole) aus verwalteten Provinz Oberschlesien bekamen zwischen 1933 und 1939 über Tausend vor allem kleinere Orte neue Namen. Ihren Höhepunkt erreichte die Aktion „Fort mit der polnischen Fassade“ im Jahr 1936. Als nicht akzeptabel erwiesen sich die meisten Namen mit der slawisch klingenden Endung „-itz“. So wurde beispielsweise Zlönitz (Źlinice) zu Glockenau, Pilchowitz (Pilchowice) zu Bilchengrund, Rudzinitz (Rudziniec) zu Rudgershagen und Zembowitz (Zębowice) zu Föhrendorf. Städte blieben in der Regel von dieser Maßnahme verschont. Keinen Platz gab es im „Dritten Reich“ auch für Ortsnamen, die die Digraphe „sz“, „cz“ oder „rz“ enthielten, da diese in der deutschen Sprache bekanntlich nicht vorkommen. So mussten sich unter anderem die Einwohner von Chrzumczütz (Chrząszczyce), Chrosczinna (Chróścina) sowie Klein und Groß Kottorz (Kotórz Mały und Kotórz Wielki) daran gewöhnen, dass sie fortan in Schönkirch, Reisern sowie Klein und Groß Kochen zu Hause waren.
Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass in Oberschlesien bereits in der Zeit des Kaiserreichs national motivierte Umbenennungen stattfanden. Im Jahr 1914 wurde der Zusatz „Polnisch“ bei Polnisch Neukirch (Polska Cerekiew) durch „Groß“ und bei Polnisch Krawarn (Krowiarki) durch „Preußisch“ ersetzt. Der bekannteste Fall aus dieser Periode ist jedoch Zabrze. Der Name dieses großen Industrieortes, der beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges ca. 60.000 Einwohner hatte, war für deutsche Muttersprachler ohne Übung nur schwer auszusprechen. Im Zuge der nationalen Euphorie nach der Schlacht an den Masurischen Seen 1915 wurde daher dieses „größte Dorf Europas“ nach dem Feldmarschall Paul von Hindenburg benannt.
Nach dem Anschluss Ostoberschlesiens an Polen 1922 bekamen alle Ortschaften in diesem Teil der Region amtliche polnische Namen. Spätere Umbenennungen waren eine Seltenheit, zumindest eine müsste hier jedoch erwähnt werden. Die Großstadt Königshütte bekam zunächst den polnischen Namen „Królewska Huta”, was eine wörtliche Übersetzung der deutschen Bezeichnung war. Im Jahr 1934 wurde der Ort aber nach einem eingemeindeten Dorf in „Chorzów“ umbenannt. Die polnische Verwaltung entledigte sich damit des preußischen Königs aus dem Namen einer Grenzstadt, die bei der Volksabstimmung mit großer Mehrheit für den Verbleib beim Reich votierte und in der Deutsche und Deutschgesinnte auch nach dem Anschluss an Polen einen hohen Anteil der Bevölkerung ausmachten.
Text: Dawid Smolorz