Kreuzburger Land – einst eine protestantische Hochburg in Oberschlesien

Seit der Reformation war das Kreuzburger Land neben dem Teschener Land eines von zwei traditionell protestantischen Gebieten in der Region

Heute leben hier nur noch ca. 1000 Lutheraner.

Während in dem durch die polnisch-tschechische Staatsgrenze geteilten Teschener Land auch heute ein wesentlicher Anteil der Bevölkerung der evangelischen Kirche angehört, veränderte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Situation im Kreuzburger Land grundlegend. Nicht nur durch die Vertreibung der Deutschen 1945/46, sondern auch durch die Ausreisewellen während der letzten beiden Jahrzehnte der kommunistischen Herrschaft in Polen wurden die Lutheraner dort zu einer kleinen Minderheit.

In den 1930er Jahren waren über 60 Prozent der Einwohner des Kreises Kreuzburg/ Kluczbork protestantisch. Eine katholische Mehrheit hatten nur drei Orte – eine Seltenheit in Oberschlesien. Da die Einwohner ungefähr je zur Hälfte Deutsch und den slawisch-oberschlesischen Dialekt als Muttersprache sprachen, deckten sich in der dortigen Gegend die konfessionellen Grenzen nicht mit den sprachlichen.

Sankt-Salvator-Kirche in Kreuzburg, das wichtigste evangelische Gotteshaus des Kreuzburger Landes, Quelle: SuperGlob, Wikimedia Commons.

Der lutherische Glaube gewann im Kreuzburger Land seit den 1530er Jahren die Oberhand. Doch entscheidend waren letztendlich – wie in anderen Teilen Schlesiens auch – nicht die Gesinnung und der Wille der Bevölkerung, sondern die politische Zugehörigkeit des jeweiligen Gebietes. Da sich die Herzöge von Brieg, denen die Gegend um Kreuzburg gehörte, eifrig für die neue Konfession einsetzten, wurde der Protestantismus auch zur Religion ihrer Untertanen. Die Versuche einer Rekatholisierung in der Habsburgischen Zeit brachten keinen nennenswerten Erfolg, sodass der Landstrich bis 1945 eine von drei Seiten (Kreis Rosenberg/ Olesno, Landkreis Oppeln/ Opole und Polen) von katholischen Gebieten umgebene „evangelische Halbinsel“ blieb.

Schrotholzkirche in Jeroltschütz/ Gierałcice, Quelle: Sławomir Milejski, Wikimedia Commons.

Heute gibt es im Kreis Kreuzburg/ Kluczbork nur drei protestantische Gemeinden: Konstadt/ Wołczyn, Kreuzburg und Groß Lassowitz/ Lasowice Wielkie. Zu jeder von ihnen gehören aber mehrere Filialkirchen, sodass die Zahl protestantisch gebliebener Gotteshäuser in Wirklichkeit höher ist. Die lutherische Diaspora zählt allerdings insgesamt nur ca. 1.000 Angehörige. Noch bis in die 1970er Jahre führten die protestantischen Gemeinden im Kreuzburger Land trotz der Vertreibung eines Teiles der einheimischen Bevölkerung und der Schikanen vonseiten des kommunistischen Staates ein relativ aktives Leben. Endgültig besiegelt wurde das Schicksal der Evangelischen erst durch das Abkommen zwischen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Parteichef Edward Gierek 1975, mit dem mehreren Tausend Oberschlesiern die Ausreise in die Bundesrepublik ermöglicht wurde, und mit dem Massenexodus in Richtung Bundesrepublik in den späten 1980er Jahren.

Zweisprachige Inschrift auf dem Grab des Pastors Hermann Koelling in Pitschen/ Byczyna, Foto: D. Smolorz.

Vor dem Zweiten Weltkrieg waren Deutsch und Polnisch die Sprachen der evangelischen Kirche im Kreuzburger Land. Nach der Übernahme durch die polnische Verwaltung 1945 wurden deutschsprachige Gottesdienste verboten. Auch heute gibt es sie nicht. Zwar wünschte sich in den frühen 1990er Jahren eine Gruppe Konstädter Protestanten die Wiedereinführung des Deutschen ins Kirchenleben, doch ihr Postulat fand keine breitere Unterstützung.

Text: Dawid Smolorz