Die Schwenckfelder. Von Schlesien nach Pennsylvania

In Vortrag und Exkursion wird an den schlesischen Reformator Caspar Schwenckfeld und seine Anhänger erinnert

Hintergrund ist das Jubiläum 500 Jahre Reformation in Liegnitz (Legnica).

Vor genau 500 Jahren lässt sich der schlesische Adlige Caspar von Schwenckfeld (1490-1561) bei seinem Besuch in Wittenberg 1522 von der Lehre Martin Luthers begeistern und will der Reformation in Schlesien zum Durchbruch verhelfen. Er bemüht sich zuerst um die Einführung des Protestantismus in Liegnitz, mischt sich aber auch gleich in die theologischen Auseinandersetzungen um die neue Lehre ein. Schnell wird er zu einem unbequemen Mann, zum Querdenker. Für die einen ein Ketzer, für die anderen ein Reformator mit eigener Lehre, ist Schwenckfeld sowohl in katholischen als auch in protestantischen Kreisen eine umstrittene Persönlichkeit, wird verfolgt und 1528 aus Schlesien verbannt. Seinen Überzeugungen treu, ist er viele Jahre seines Lebens von einem Zufluchtsort zum anderen unterwegs. Auch seine Anhänger werden verfolgt und aus Schlesien vertrieben. Eine Gruppe wandert schließlich in den 1730er Jahren nach Amerika aus und gründet dort eine eigene Kirche, die heute noch besteht. Die in Schlesien verbliebenen Anhänger Schwenkfelds wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend assimiliert, nicht zuletzt nach der Besetzung Schlesiens durch den preußischen König Friedrich II. und die Vereinnahmung durch die protestantische lutherische Kirche. 1826 soll der letzte sich als Schwenkfeldianer bezeichnende Schlesier in Harpersdorf (heute Twardocice) bei Goldberg gestorben sein.

Während die evangelische Kirche in Legnica (Liegnitz) aktuell (September 2022) mit einem beachtlichen Veranstaltungsprogramm 500 Jahre Reformation feiert, erinnert das Schlesische Museum zu Görlitz in Vortrag und Exkursion an einen der ersten Reformationsbefürworter, der schließlich seinen eigenen Weg gegangen ist – mit allen Konsequenzen.

Prof. Dr. Józef Zaprucki stellt in seinem Vortrag am 6. Oktober 2022 kulturelle Aspekte der Problematik der religiösen Turbulenzen in Schlesien im 16.-18. Jahrhundert vor, die aus heutiger Sicht eine Basis für spannende Prozesse der interkulturellen Kommunikation bildeten. Das Unglück der Schwenckfelder, die wegen ihres Bekenntnisses die schlesische Heimat verlassen mussten, wurde langfristig zum Nährboden für ein fruchtbares Gespräch zwischen drei Kulturen: der deutschen, der polnischen und der amerikanischen.

Ruine der evangelischen Kirche in Twardocice (Harpersdorf). Foto: J. Zaprucki

Prof. Dr. Józef Zaprucki ist an der Riesengebirgsakademie für angewandte Wissenschaften in Jelenia Góra (Hirschberg) in den Bereichen deutsche Sprache, Kultur und Literatur tätig. Sein Hauptinteresse gilt dem sog. Gespräch der Kulturen in Schlesien. In diesem Zusammenhang organisierte er etliche Konferenzen und veröffentlichte dazu viele Artikel und ein Buch Tolerance and Crossculture Communication: Fedor Sommer’s Schwenkfelders in Silesia and Pennsylvania (2014). Zaprucki ist ebenfalls als Übersetzer der deutschen Literatur tätig. Seine neueste Übersetzung (2021) war Zwischen Mauern und Türmen, ein historischer Roman von Fedor Sommer, einem Hirschberger Pädagogen und Schriftsteller. Die Thematik der Schwenckfelder vertiefte Józef Zaprucki als Stipendiat der Kościuszko Foundation und visiting professor an der Duquesne University in Pittsburgh PA.

An den Orten des Wirkens von Caspar von Schwenckfeld in Schlesien sind nur wenige Spuren zu finden. Es lohnt umso mehr, sich auf die Suche zu begeben. Bei der Exkursion am 29. Oktober 2022 werden unter der Leitung von Margrit Kempgen (Kirchliche Stiftung Evangelisches Schlesien) die Orte nahe Złotoryja (Goldberg) besucht, an denen die Geschichte der Schwenckfelder noch gut ablesbar ist.

Ruine der evangelischen Kirche in Twardocice (Harpersdorf). Foto: J. Zaprucki

Termine:

06.10.2022, 18:00, Schlesisches Museum zu Görlitz, Eingang Fischmarkt 5, Eintritt frei
Vortrag „Die Schwenckfelder – im 18. Jahrhundert von Schlesien nach Pennsylvania“ von Prof. Dr. Józef Zaprucki, Jelenia Góra (Hirschberg)

29.10.2022, 08:00-19:00, Exkursion „Auf den Spuren der Schwenckfelder in Schlesien“ in Kooperation mit der Kirchlichen Stiftung evangelisches Schlesien, Info und Anmeldung im Büro der Stiftung, Langenstr. 43 in Görlitz, telefonisch unter 03581 876682, per E-Mail: kirchlichestiftung@evangelisches-schlesien.de.

Text: Agnieszka Bormann