Ältester Bierkeller Europas wieder geöffnet

Nach fünfjähriger Pause wird im Schweidnitzer Keller in Wrocław (Breslau) frisches Bier gezapft 

Der Ort verbindet die 700jährige Tradition mit den  Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

An der Südseite des Breslauer Rathauses befindet sich der Eingang zu dem berühmten Schweidnitzer Keller (Piwnica Świdnicka). Er ist wahrscheinlich einer der ältesten Bierkeller Europas. Sein Entstehungsdatum wird mit dem Stapelrecht für die Stadt Breslau in Verbindung gesetzt – das Jahr 1273 wird als Gründungsjahr des Kellers betrachtet und ist über dem Eingang sichtbar.

Der Name des Kellers stammt von der Stadt Schweidnitz (heute Świdnica), aus der ursprünglich ein ausgezeichnetes Märzbier hergebracht wurde. Nach dem Jahr 1500 wurde das Bier in Breslau hergestellt, in einer Brauerei, die sich im Hinterhof des gegenüberliegenden Bürgerhauses „Zum Goldenen Krug“ befand. Sie wurde mit dem Keller durch einen unterirdischen, bis heute teilweise erhaltenen Tunnel verbunden. Die neuen Betreiber haben sich entschieden, an diese Tradition anzuknüpfen: der Bierkeller wurde zu einer Brauerei.

Im Keller werden gleichzeitig vier Biersorten gebraut, darunter auch der Schöps, das berühmte Weizenbier (es wird probiert, das alte Bier nachzuahmen). Das Bier, das als Schöps bezeichnet wurde, ist in zahlreichen Gedichten und Liedern besungen worden. Hier ein Auszug aus einem Gedicht von Paul Albers und seinem „Alten Lied vom Schweidnitzer Keller“:

Verschenkst ein köstlich braunes Naß
Im Schweinschen Keller munter;
Es rollt der Bierknecht Faß um Faß
Die Treppen flott herunter.
Hier herrscht bei Tage und Nacht
Ein lustiges Zecherleben;
Hier wird gesungen und gelacht,
Daß rings die Wände beben.

Wie gut dieses Getränk damals war, beweist der berühmte „Bierkrieg“ von 1380–1382. Im Jahre 1380 schickte der Herzog Rupert I. von Liegnitz anlässlich des bevorstehenden Weihnachtsfestes mehrere Fässer exzellenten Bieres an seinen Kanoniker-Bruder nach Breslau, zur Dominsel. Der Transport wurde beschlagnahmt – nur die Stadt hatte das Monopol für den Transport und den Verkauf des Bieres. Das Domkapitel protestierte, doch als der Protest nicht die gewünschte Wirkung zeigte, verhängte es am 8. Januar 1381 einen Kirchenbann über Breslau. Die Kirchenglocken verstummten, Gottesdienste wurden nicht mehr abgehalten, und Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen mussten fortan ohne kirchlichen Rahmen stattfinden. Der Streit erreichte Papst Urban VI., der seinen Legaten entsandte, um den Streit zu schlichten. Dies gelang erst im Jahr 1382. Das ganze Ereignis wurde als „Bierkrieg“ oder „Pfaffenkrieg“ bekannt.

Mit dem Schweidnitzer Keller ist auch eine andere lustige Geschichte verbunden, die mit dem deutschen Spruch „Wenn mancher Mann wüßte, wer mancher Mann wäre, tät’ mancher Mann manchem Mann manchmal mehr Ehre“ in Verbindung steht. Die Geschichte betrifft den König von Ungarn und Böhmen (und den späteren Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) Sigismund von Luxemburg. Anfang Januar 1420 traf er in Breslau ein, um von den Einwohnern der Stadt die Huldigung entgegenzunehmen. Und da im März desselben Jahres auf seine Initiative zum ersten Mal der Reichstag in Breslau stattfinden sollte, blieb der königliche Herrscher noch ein wenig länger in der Stadt. Man kann sich leicht vorstellen, dass der fast dreimonatige Aufenthalt des Königs und seines Gefolges bei den Bürgern, die alle damit verbundenen Kosten aus eigener Tasche bezahlen mussten, keine Begeisterung hervorrufen konnte. Vielleicht kamen dem Herrscher die Worte der Unzufriedenheit zu Ohren, und so ging er eines Tages inkognito in den Bierkeller, um herauszufinden, was die Bürger von Breslau über ihn sagten. Er verkleidete sich als einfacher Stadtbewohner und bestellte wie alle anderen den berühmten Schöps. Leider hielt die gute Laune des Königs trotz des ausgezeichneten Geschmacks des Bieres nicht allzu lange an. Als er hörte, wie sich die Bürger von Breslau beschwerten, wurde er wütend und schrieb mit Kreide ein paar Worte auf den Tisch, woraufhin er eilig das Lokal verließ. Als man feststellte, wer der Gast in dem Bierkeller war, beschloss man, seine Worte an die Wand zu schreiben.

Mit dem Bierkeller sind ganz viele Anekdoten verbunden, deshalb steht vor den neuen Betreibern, die u. a. in Wrocław auch den Multitap Pinta und den Biergroßhändler PiJ führen, keine einfache Aufgabe: man muss die Ansprüche des 21. Jahrhunderts mit der langen, 700jährigen Geschichte des Kellers verbinden.

In der jetzigen Gestalt wurde der Schweidnitzer Keller am 2. Juli 2022 eröffnet. Die Renovierung des  Kellers hat rd. 4,5 Mio. Złoty gekostet. Die neuen Betreiber, die den Keller erstmal für 10 Jahre gepachtet haben, zeigen einerseits viele Relikte des alten Rathauses, andererseits gestalten sie die Ausstattung reduziert und modern. Ob das den Gästen gefallen wird, wird sich erst nach einiger Zeit herausstellen. Das Bier schmeckt auf jeden Fall köstlich – die Autorin hat es ausprobiert!

Text: Małgorzata Urlich-Kornacka
Mehr Fotos unter www.wroclaw.pl 
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