O! Ossolineum. Die Schatzkammer unter der Kuppel

Im Gebäude des Matthias-Gymnasiums in Breslau (Wrocław) werden wertvolle Kunstschätze präsentiert

Ossolineum, also die polnische Ossoliński-Nationalbibliothek, hatte bis 1945 ihren Sitz in Lemberg (Lviv).

Im Gebäude des ehemaligen Klosters der Kreuzherren mit dem Roten Stern und des späteren St.-Matthias-Gymnasiums in der Szewska-Str. 37 ist seit dem 18. Oktober 2025 die Ausstellung: „O! Ossolineum. Die Schatzkammer unter der Kuppel“ (poln. „O! Ossolineum. Skarbiec pod Kopułą) zu sehen. Sie stellt die Geschichte der Nationalstiftung Ossolineum vor und präsentiert ausgewählte wertvolle Kulturschätze aus der Sammlung des Grafen Józef Maksymilian Ossoliński und des Fürsten Henryk Lubomirski.

Die Ausstellungskuratorin Aldona Mikucka (rechts) und die Koordinatorin der Ausstellung Małgorzata Łukaszek (links)

In der Ausstellung werden einzelne Exponate immer wieder ausgetauscht, da die gedruckten Sachen und Graphiken aus konservatorischen Gründen nicht dauerhaft ausgestellt werden dürfen. In der aktuellen Form ist die Präsentation bis zum 1. März 2026 zu erleben. Es ist auch eine einmalige Möglichkeit, sich den Saal unter der Kuppel anzuschauen. Es war ursprünglich der repräsentativste Raum, in dem der Abt des Klosters der Kreuzritter zum Roten Stern seine Gäste Empfang.

Ossolineum vor und nach dem Krieg

Die Ausstellung besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil wird kurz die Gründung und die Vorkriegsgeschichte der Stiftung dargestellt. Der Gründer der Stiftung war der Graf Józef Maksymilian Ossoliński (1748-1826), der nach dem Verlust der polnischen Unabhängigkeit (1795) beschloss, nationale Andenken wie Bücher, Dokumente, Manuskripte sowie alte Münzen, Grafiken und Gemälde zu sammeln. Infolge der ersten Teilung Polens (1772) wurde Ossolińskis Familiengut ein Teil der habsburgischen Gebiete (Galizien). Der Graf selbst begab sich nach Wien, um nahe dem Hofe zu sein und sich für die Polen und für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen unter der österreichischen Besatzung einzusetzen. Er nutzte seine Kontakte zum Kaiserhof, um seine Idee der Gründung einer polnischen Nationalbibliothek zu realisieren.

Nach jahrelangen Bemühungen erhielt er 1817 die kaiserliche Zustimmung. Ein Jahr nach Ossolińskis Tod (1826) wurden über 23.000 Objekte – darunter Bücher, Manuskripte, Karten, Drucke, Gemälde und Münzen – in 49 Kisten von Wien nach Lwów (Lviv) transportiert und bildeten hier die Grundlage für das Ossolineum. Noch vor seinem Tod intensivierte Ossoliński seine Suche nach einem geeigneten Nachfolger für die Leitung der Institution (er hatte selbst keine Nachkommen). Die Wahl fiel auf Fürst Henryk Lubomirski von Przeworsk, der sich als Kunstkenner und -sammler einen Namen gemacht hatte. Er wurde der sogenannte Literaturkurator. Nach seinem Tod übernahmen sein Sohn und später sein Enkel diese Funktion. Innerhalb des Ossolineums entstand also das Fürst-Lubomirski-Museum. Zu den wertvollen Werken, die Fürst Henryk dem Ossolineum schenkte, gehörten unter anderem eine Sammlung von Zeichnungen von Albrecht Dürer und Rembrandt van Rijn, Ptolemäus‘ 1482 veröffentlichte Cosmographia mit handgemalten Karten sowie antike Goldmünzen.

Im zweiten Teil der Ausstellung wird die Kriegsgeschichte der Sammlung dargestellt. Im Jahre 1939 bereitete sich Ossolineum auf den deutschen Angriff vor. Am 22. September marschierten jedoch sowjetische Truppen in die Stadt ein. Jahrelange Besatzung durch die Sowjets, dann die Deutschen und wieder die Sowjets verursachten, dass es zu großen Verlusten innerhalb der Institution kam. Die Verlagstätigkeit wurde eingestellt, das Fürsten-Lubomirski-Museum wurde geschlossen und seine Sammlungen auf andere Museen in Lemberg verteilt.

Den größten Kriegsverlust stellte die deutsche Beschlagnahme der Zeichnungen Albrecht Dürers dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg, da das Fürst-Lubomirski-Museum aufgelöst wurde, wurde die Sammlung von den Alliierten an einen Nachkommen von Lubomirski zurückgegeben, der die Werke verkauft hat. So befindet sich die Sammlung heute in Museen und Privatbesitz weltweit (unter anderem in New York, Chicago, London und Rotterdam). Glücklicherweise entging die wertvolle Sammlung von Rembrandts Zeichnungen, die bis heute Teil der Sammlung des Ossolineum ist, diesem Schicksal. Die Bibliothek konnte während des Krieges ihre Arbeit fortsetzen und fand in Professor Mieczysław Gębarowicz, dem Vorkriegsdirektor des Fürsten-Lubomirski-Museums, einen engagierten Förderer. 1943 wurde er vom Kurator, Fürst Andrzej Lubomirski, heimlich zum Direktor des gesamten Ossolineums ernannt. 1944 beschloss Mieczysław Gębarowicz, den von den deutschen Behörden angeordneten Evakuierungstransport zu nutzen, um die wertvollsten polnischen Kulturgüter zu retten. Heimlich packte er literarische Manuskripte von Juliusz Słowacki, Aleksander Fredro, Józef Ignacy Krasicki und Władysław Reymont in Kisten, die die Deutschen für den Transport nach Krakau vorbereitet hatten. Darunter befand sich auch das Manuskript von Adam Mickiewiczs „Pan Tadeusz“, das die Familie Tarnowski zu Kriegsbeginn im Ossolineum deponiert hatte. Die Kisten enthielten zudem eine unschätzbare Sammlung von Münzen und Medaillen.

Das Manuskript von Władysław Reymont „Chłopi“ (Die Bauer).

Dann haben die Deutschen ihre Evakuierungspläne geändert und die Transporte weiter westlich umgeleitet. Die Sammlungen wurden schließlich in den Gebäuden eines Bauernhofs in Adelsdorf (heute Zagrodno) in Niederschlesien versteckt. Dort wurden sie im Sommer 1945 von Polen entdeckt. So kehrte die unschätzbare Sammlung literarischer Manuskripte, Zeichnungen und Münzen ins Ossolineum zurück, diesmal jedoch in ihr neues Domizil im polnisch gewordenen Breslau.

In Anknüpfung an diese Geschichte wird in dem zweiten Teil der Ausstellung immer ein Manuskript aus den geretteten Kisten gezeigt. Zur Zeit kann man das nationale Epos „Die Bauer“ von Władyslaw Reymont sehen.

Der dritte Teil stellt die Nachkriegsgeschichte des Ossolineum vor. Im Juli 1946 fiel die endgültige Entscheidung für den Standort Breslau, und die erste Sammlungslieferung aus Lemberg (Lviv) traf ein. Sie wurde von den Behörden der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik offiziell als sogenannte „Schenkung“ übergeben. Die Lieferung umfasste rund 217.000 Bände mit Manuskripten und Büchern, was weniger als 30 % des Vorkriegsbestands der Ossolineum-Bibliothek ausmachte. Die zweite Lieferung traf im März 1947 ein. Der Rest der Sammlung befindet sich bis heute in Lviv. Der Verlag Ossolineum nahm im Juli 1947 in Breslau seinen Betrieb auf. Das Fürst-Lubomirski-Museum musste mit dem Neubeginn bis zum Jahr 2007 warten. Jetzt wird für dieses Museum ein neuer Sitz gebaut. 2016 wurde noch das Pan-Tadeusz-Museum auf dem Ring (Rynek 5) in Breslau eröffnet. Das Ossolineum umfasst also die vier Institutionen: eine nationale Bibliothek, einen Verlag, das Fürst-Lubomirski-Museum und das Pan-Tadeusz-Museum. 

In dem Saal unter der Kuppel werden die besonderen Werke aus der Sammlung des Ossolineum gezeigt. In diesem Jahr sind das Objekte, die mit den polnischen Herrschern verbunden sind (1025 wurde Boleslaw der Tapfere zum ersten König von Polen ausgewählt). Bis März 2026 kann man die ältesten in Büchern gedruckten und auf Münzen und Medaillen abgebildeten Königsporträts, Dokumente, Briefe und Bücher polnischer Könige sehen sowie solche, die durch Legenden mit ihnen verbunden sind. Dazu gehören die sogenannten „Monumenta“, Werke aus der Sammlung Sigismund Augusts oder Kopien von Gemälden aus dem 19. Jahrhundert, die von Stanisław August Poniatowski bei Marcello Bacciarelli in Auftrag gegeben wurden oder die Galerie der polnischen Könige von Jan Matejko.

Die Ausstellung in der Szewska-Str. 37 in Breslau ist jeden Tag außer montags von 9 bis 17:30 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka