Schauer- (und andere) Geschichten aus der Belle Époque
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte die schlesische Adlige zu den beliebtesten deutschen Unterhaltungsschriftstellerinnen.
Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem wurde vor allem durch ihre Kriminalromane und Humoresken bekannt und beliebt. Die fruchtbare Schriftstellerin, die insgesamt ca. 110 Werke verfasste, entstammte einer der bekanntesten Adelsfamilien Schlesiens. Ihr Vater, Alexander Graf von Ballestrem, war Rittergutsbesitzer und später Landschaftsdirektor in Ratibor, wo Eufemia am 18. August 1854 zur Welt kam. Ihr Cousin Franz bekleidete von 1898 bis 1906 das Amt des Reichstagspräsidenten.


Ihren ersten Text („Die Nichten des Kardinals“) veröffentlichte Eufemia von Ballestrem bereits im Alter von 17 Jahren in einer Zeitschrift. Fünf Jahre später begann mit der Herausgabe des Novellenbandes unter dem Titel „Blätter im Winde“ ihre „seriöse“ literarische Karriere. Eufemia war nicht nur eine fruchtbare, sondern auch eine universtelle Autorin, die in vielen Genres zu Hause war. Sie schrieb Kriminalromane, Liebesromane (oft mit Spukerscheinungen), historische Romane und Humoresken. Eigentlich verstand sie sich als Historikerin. Da aber historische Forschungen von Frauen damals nicht ohne weiteres akzeptiert wurden, widmete sie sich schriftstellerischer Tätigkeit, in der die Vergangenheit oft eine wichtige Rolle spielte. Sehr gut aufgenommen wurden die von ihr verfassten Biografien: „Elisabeth Christine, Königin von Preußen, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg. Das Lebensbild einer Verkannten“ (1908) und „Maria Stuart, Königin von Schottland“ (1889). Für das letztere Buch erhielt sie die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft. Mehrere Bänder aus ihrer Feder, u. a. „Komtesse Käthe“, „Komtesse Käthe in der Ehe“ und „Pension Malepartus“ wurden in 30 bis 40 Auflagen verlegt, wobei es bei weitem noch keine Rekordwerte waren. Zu ihrem Bestseller der Jahrhundertwende wurde der Roman „Die weißen Rosen von Ravensberg“ aus dem Jahr 1896, der insgesamt in über 120 Auflagen erschien. Erwähnenswert ist zudem die Kurzgeschichte „Der ruppige Löwe und der süße Bub“ aus dem Buch „Die Erzählung der Elf“ (1917), deren Handlung im oberschlesischen Schloss Plawniowitz spielt, dem Mittelpunkt des Majorats, das ein Bruder ihres Vaters geerbt har. Mindestens vier Werke der schlesischen Adligen wurden verfilmt – meist mit sehr gutem Ergebnis.


Freilich war Eufemia im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht die einzige Frau, die mit Erfolg ihren Traum vom Schreiben verwirklichte. Von den meisten anderen unterschied sie jedoch der Umstand, dass sie ihre Werke nie unter einem Pseudonym veröffentlichte. Übrigens war das der ausdrückliche Wunsch ihres Vaters. In der Verlagsbranche galt sie als starke Frau. Es ist durchaus denkbar, dass sie ihre Unabhängigkeit auch mit der Frisur unterstreichen wollte. Denn gegen die Trends der damaligen Zeit trug sie kurze Haare. Inoffiziell erzählte man sogar, dass ihr Mann, ein Berufsmilitär, aus dem Dienst ausgeschieden sei, um sie als eine Art Manager zu unterstützen.
Auch nach Eufemias Tod 1941 ließ die Popularität ihrer Werke, vor allem unter weiblichem Publikum, nicht nach. Mehrere Romane von ihr wurden in den 1960er und 1970er Jahren neu aufgelegt. Und seit 2017 ist eine Auswahl ihrer Bücher sogar als E-Book erhältlich.
Text: Dawid Smolorz