Franz Graf von Ballestrem (1834-1910) ging durch Zufall in die Politik
Der oberschlesische Hochadlige war neben dem Liegnitzer Paul Löbe der einzige Schlesier an der Spitze des deutschen Parlaments.
Nur durch einen Zufall oder – präziser gesagt – durch eine auf den ersten Blick unglückliche Fügung, die sich am Ende doch als glücklich erwies, wurde der oberschlesische Hochadlige Franz Graf von Ballestrem zu einer wichtigen Persönlichkeit des politischen Lebens in Deutschland.

Während der preußisch-französischen Krieges 1870 stürzte der damals 34-jährige Rittmeister von Ballestrem vom Pferd, woraufhin er auf seine Offizierskarriere verzichten musste. Zu tun hätte er zwar auch außerhalb des Militärs genug gehabt, schließlich besaß die Familie eine Reihe von Unternehmen und Landgütern in Ober- und Niederschlesien. Doch wollte sich der agile Mann offensichtlich in anderen Bereichen einsetzen. Als nach der Vereinigung Deutschlands 1871 mit dem Kulturkampf der Konflikt zwischen der Berliner Regierung und der katholischen Kirche eskalierte, beschloss er, sich politisch auf der Seite der letzteren zu engagieren. Der Mitbegründer der katholischen Zentrumspartei in Schlesien wurde bald zu einem der führenden Vertreter dieser Gruppierung und gewann bereits 1872 aus dem Wahlkreis Oppeln (Opole) ein Reichstagsmandat.

Die Krönung der erfolgreichen politischen Karriere Franz von Ballestrems stellte seine Wahl zum Präsidenten des deutschen Parlaments im Jahr 1898 dar. Der Adlige aus dem im Gleiwitzer Land gelegenen Plawniowitz (Pławniowice) war wohlgemerkt der erste und neben dem Liegnitzer Paul Löbe der einzige Schlesier, der jemals an der Spitze des Reichstags stand. In die Geschichte des deutschen Parlamentarismus ging von Ballestrem als überzeugter katholischer Politiker, zugleich aber auch als Vermittler zwischen den verschiedenen Fraktionen ein. Der „mit dem Wasser der Klodnitz getaufte, waschechte Oberschlesier“, wie er sich selbst bezeichnete, setzte sich konsequent auf allen Ebenen seiner Aktivitäten für die Interessen der Ostprovinzen ein. Bekannt ist u. a. sein Engagement für die Errichtung einer Technischen Hochschule in Breslau (Wrocław), aber auch seine Aktivitäten im sozialen Bereich, und zwar sowohl auf lokaler als auch auf gesamtdeutscher Ebene. Für die Mitarbeiter seines Konzerns baute er beispielsweise vor allem in Ruda (Ruda Śląska) mehrere, für die damalige Zeit moderne Siedlungen und in Ziegenhals (Głuchołazy) stiftete er ein für die Beschäftigten seiner Werke gedachtes Erholungsheim. Der Reichstagspräsident gilt überdies als der Mann, der 1890 wichtige gesetzliche Regelungen zum Arbeiterschutz anregte.

Franz von Ballestrem starb 1910 im Alter von 76 Jahren im Plawniowitzer Familiensitz. Die letzte Ruhestätte fand er in der Josefskirche in Ruda, in der u. a. auch seine Gattin Hedwig bestattet wurde.

Text: Dawid Smolorz