Im niederschlesischen Münsterberg/ Ziębice wurde eine Zeitkapsel aus dem Jahre 1797 entdeckt

Mit 223 Jahren ist der Fund die älteste bis dato gefundene Zeitkapsel in Polen

Am 12. Mai wurde die Zeitkapsel eröffnet. Welche Botschaft war drin?

In der Stadtverwaltung von Münsterberg/ Ziębice wurde am 12. Mai 2020 im Beisein vieler Journalisten und geladener Gäste aus Politik, Kultur und Denkmalschutz die Zeitkapsel geöffnet, die bei den Sanierungsarbeiten der hiesigen, ehemals evangelischen Kirche einige Tage zuvor entdeckt worden ist. In der an der Spitze des Kirchenturms montierten Turmkugel fanden sich Bücher, ein Geldbeutel, Schriftstücke und eine fest verschlossene Büchse. Zum Vorschein kamen auch Münzen aus dem 18. Jh. ebenso wie Dokumente zum Bau der Kirche. Es wird eingeschätzt, dass diese Zeitkapsel zu den ältesten Zeitkapseln Niederschlesiens gehören könnte. Die im Inneren der Kugel verwahrten Schriftstücke berichten aus dem Jahr 1797.

„Ich habe einen gewissen Nervenkitzel verspürt, als ich erfahren habe, dass die Arbeiter im abgenommenen Kirchturmknopf einen kupfernen Behälter, der festgelötet war, entdeckt haben. Es ist ein spannender Fund, von historischem Wert für unsere Stadt und für die gesamte Region“, sagt Bürgermeister von Ziębice Mariusz Szpilarewicz.

Zu Beginn wusste keiner, aus welcher Zeit die Fundstücke stammen. Denn die evangelische Kirche wurde zwar 1796 bis 1797 erbaut, aber vorher stand an dieser Stelle ein herzogliches Schloss aus dem 15. Jh.

Die Emotionen gingen in die Höhe, als die Kiste mit Funden in den im Erdgeschoss der Stadtverwaltung von Ziębice gelegenen Raum gebracht wurde. Turmkugeln werden traditionell mit Dokumenten und Erinnerungsstücken gefüllt. Auch der Inhalt dieser Zeitkapsel sollte nachfolgenden Generationen einen Eindruck vom Alltag der damaligen Zeit vermitteln. Die Fundgegenstände mussten nun von Fachleuten untersucht werden. Leiter des Stadtarchivs Breslau/ Wrocław, Dr. Janusz Gołaszewski, Leiterin der Abteilung für Konservierung und Restaurierung des Stadtarchivs, Krystyna Wilczyńska und Hauptinspektor für Denkmalpflege beim Amt für Denkmalpflege in Waldenburg/ Wałbrzych, Marek Kowalski, waren daran beteiligt. 

Ganz vorsichtig wurden die Bücher geöffnet, die Papierseiten geglättet und weitere Gegenstände gesichtet. Der Geldbeutel aus Stoff war bedauerlicherweise leer und eins der Bücher ist leicht angesengt. Es hat sich auch herausgestellt, dass vor 120 Jahren der Turmkugel eine Zeitung von damals und Postkarten mit der Stadtansicht von Münsterberg beigegeben wurden. 1945 wurde die Kirche höchstwahrscheinlich von der Roten Armee beschossen, denn die Turmkugel weist Einschusslöcher auf.   

„Trotz alledem befinden sich die Dokumente in einem sehr guten Zustand. Das in sauberer Schrift verfasste Dokument zum Bau der Kirche lässt sich mühelos entziffern. Die Zeitzeugnisse geben uns Hinweise auf das Leben der Menschen von damals. Besonders interessant ist eine Münze, in ein Stück Papier eingewickelt, auf dem einige Vornamen und ein Familienname zu lesen sind. Es könnte sich hier um eine der Kirchenstifterinnen handeln“, informiert Dr. Janusz Gołaszewski.

Marek Kowalski vom Amt für Denkmalpflege meint, die Zeitkapsel aus Münsterberg sei ein außergewöhnlicher Fund. „Bei meiner Arbeit habe ich mich bisher mit etwa zehn solchen Funden befasst“, sagt er weiter.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir aus diesem mehrseitigen Dokument zum Bau der Kirche etwas mehr über deren Baumeister August Wilhelm Neidhardt von Gneisenau erfahren. Nach den Plänen des Brieger Bauinspektors wurden evangelische Kirchen in Waldenburg, ein Turm an der Kirche in Herzogswalde/ Wierzbnik k. Grodkowa, ein Haus „Zum goldenen Ring“ an der früheren Antonienstraße in Breslau sowie auch zwölf Patrizierhäuser in Brieg/ Brzeg errichtet. Des Weiteren war er für die Sanierung des Rathausturms in Brieg verantwortlich. Sein Sohn, August Wilhelm Anton Neidhardt von Gneisenau, war preußischer Generalfeldmarschall, der großen Anteil an den Siegen über Napoleon hatte.

Die ans Tageslicht geholten Dokumente und Münzen werden nun genau untersucht. Anschließend soll über deren Aufbewahrungsort entschieden werden. Voraussichtlich werden die Funde ins Museum in Ziębice gebracht.

Text: Joanna Lamparska
Übersetzung: Jowita Selewska
Fotoquelle: Joanna Lamparska, Stadtverwaltung Münsterberg/Ziębice, Gazeta Wyborcza-A.Dobkiewicz, Radio Wrocław