Zum 90. Todestag von Emil Krebs (1867-1930)

Eins der größten Sprachwunder aller Zeiten stammte aus Niederschlesien

Mehrere Akteure in Deutschland und Polen halten die Erinnerung an den Polygtotten Emil Krebs wach.

Im Jahr 1922 versicherte Emil Krebs handschriftlich seinem Dienstherrn, dem Auswärtigen Amt, dass er aus 34 Sprachen „korrekte Übersetzungen ins Deutsche liefern“ könne. Davor stand der Jurist und Sinologe fast ein Vierteljahrhundert seines Lebens im Dienst der Kaiserlichen Gesandtschaft in China, wo er sich den Ruf einer hervorragenden Autorität für chinesische Sprache und chinesisches Recht erwarb. Als „eine polyglotte Berühmtheit“ mit Kontakten bis in das chinesische Kaiserhaus bezeichnete ihn der damalige Botschafter, Otto von Hentig, in seinen Erinnerungen. Nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem deutschen Kaiserreich und China kehrte Krebs 1917 nach Berlin zurück und arbeitete als Übersetzer im Sprachendienst des Auswärtigen Amtes. „Krebs ersetzt uns 30 Außendienstmitarbeiter!“, erklärte sein damaliger Leiter Paul Gautier.

Es verwundert also nicht, dass anlässlich des runden Todestages das Auswärtige Amt seinen berühmten Mitarbeiter mit einer Ausstellung würdigte.

Bis heute gilt der aus Niederschlesien stammende Emil Krebs (1867–1930) als eines der größten Sprachwunder der Menschheitsgeschichte. Er beherrschte über 60 Sprachen und Dialekte, seine Privatbibliothek umfasste Bücher in über 100 Sprachen. Diese Bibliothek erwarb 1932 die amerikanische Nationalbibliothek (Library of Congress), Washington D.C. Besondere Schriften, Geschenke des damaligen chinesischen Kaiserhauses, werden hier wegen der herausragenden Wertigkeit im Jefferson Building gesondert aufbewahrt. Mit seiner Sprachgenialität beeindruckte er die Zeitgenossen so sehr, dass ihm nach seinem Tod das Gehirn zu Forschungszwecken entnommen und mehrmals untersucht wurde.

Krebs wurde am 15. November 1867 in Freiburg/ Schlesien (heute Świebodzice) geboren und verlebte seine Kindheit und Jugend in Esdorf (Opoczka), Landkreis Schweidnitz (Świdnica). Als Abiturient des Evangelischen Gymnasiums Schweidnitz beherrschte er 12 Sprachen. In Breslau (Wrocław) begann er ein Theologie- und Philosophiestudium. Bald ging er aber nach Berlin, um Jura, Chinesisch und Türkisch zu studieren. Von 1891 bis 1893 war er als Gerichtsreferendar tätig, unter anderem beim Kammergericht Berlin. Das deutsche Auswärtige Amt in Berlin sandte ihn 1893 als Dolmetscher nach China.

Seine zu Sprachstudien herangezogenen Schriften und Bücher belegen, dass er nicht allein über Deutsch Fremdsprachen erlernte, sondern immer wieder eine der bereits beherrschten Sprachen als „Mittlersprache“ einsetzte. Teilweise zog er die Muttersprache gar nicht hinzu. Als „Mittlersprache“ neben Deutsch verwandte Krebs zum Erlernen und Vertiefen einer neuen Sprache vorwiegend Englisch, Französisch, Russisch, Chinesisch, Griechisch, Italienisch, Türkisch, Latein, Spanisch, Arabisch und Niederländisch.

Krebs starb am 31. März 1930 in Berlin. Sein Gehirn steht noch heute für Forschungszwecke dem Hirnforschungszentrum Jülich (Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf) zur Verfügung. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf/bei Berlin.

Jahrzehnte lang war Emil Krebs vergessen, bis sein Großneffe Eckhard Hoffmann aktiv wurde. Über seinen Weg zum Onkel Emil, seine systematische Recherche, umfangreiche Archivarbeit, Sammeln von Dokumenten und Erinnerungsstücken sowie Publikationstätigkeit kann man auf seiner Seite lesen. Als Ergebnis seines Engagements wurde in Kooperation mit der Miejska Biblioteka Publiczna w Świdnicy (Stadtbibliothek Schweidnitz) sowie mit Unterstützung des Sprachendienstleiters des Auswärtigen Amtes, Gunnar Hille, und des Historikers Sobiesław Nowotny eine deutsch-polnische Ausstellung “Emil Krebs. An den Grenzen der Genialität” als Wanderausstellung erarbeitet. Diese wurde bereits an mehreren Orten in Polen und Deutschland präsentiert, u. a. 2019 in Görlitz und 2020 im Auswärtigen Amt in Berlin. Die Ausstellung ist Eigentum des Stadtbibliothek Schweidnitz und kann weiterhin kostenlos zu Präsentationszwecken ausgeliehen werden. Ansprechpartnerin ist Ewa Cuban, Direktorin der Bibliothek. Kontakt: Miejska Biblioteka Publiczna im. Cypriana Kamila Norwida, ul. Franciszkańska 18, PL-58-100 ŒŚwidnica, Tel. +48 74 640 09 46, E-Mail: dyrektor@mbp.swidnica.pl.

Text: Agnieszka Bormann

Bilder: Eröffnung der Ausstellung „Emil Krebs. An den Grenzen der Genialität“ in der Annenkapelle Görlitz, 2.-29.05.2019, Fot. Jakub Purej

Bilder: Emil Krebs, Familie und Beruf, Fotos aus den Ausstellungstafeln, © Biblioteka Miejska w Swidnicy/ Stadtbibliothek Schweidnitz