Die weltweit größte private Sammlung von Teilen der Berliner Mauer befindet sich nördlich von Breslau/ Wrocław
Der Besitzer ist ein polnischer Zahnarzt, Kunstsammler und Künstler.
Mehrere Dutzend Mauersegmente stehen an einer unauffälligen Stelle. Auf einem Feld unter dem Wald, an einem Feldweg in kleinem Dorf Sosnówka, in der Nähe von Festenberg/ Twardogóra und Oels/ Oleśnica, vierzig Kilometer nördlich von Breslau/ Wrocław. Es handelt sich um authentische Fragmente der Berliner Mauer. Sie wurden in einem großen Halbkreis angeordnet. Mein erster Gedanke: das DDR-Stonehenge. Ich ging auf einem schmalen Pfad dorthin, weil das Feld drum herum ganz normal eingesät war. Das Gebiet ist offen. Die Elemente der Wand können dort nicht nur aus der Nähe betrachtet, sondern auch angefasst werden.
Er bohrte die Mauer wie ein Zahn
Wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Sammlung? Es handelt sich um eine rein private Kollektion. Sie wurde von Ludwik Wasecki, einem polnischen Zahnarzt, Berliner, Kunstsammler und Künstler, zusammengetragen. Und das ist kein Zufall. Sein Privatleben ist eng mit der Mauer verbunden, und zwar in vielerlei Hinsicht. Seine Geschichte wurde von Porta Polonica beschrieben. Er emigrierte 1973 von Polen nach Schweden und zog sechs Jahre später nach West-Berlin, um seine in Polen verbliebene Familie häufiger sehen zu können (in Ost-Berlin). Er nahm persönlich an den Ereignissen des 10. November 1989 teil, als die spontane Demontage der Mauer begann. Er benutzte sogar einen japanischen, batteriebetriebenen Bohrer, den er aus seiner Praxis mitgenommen hatte.
Er durchschlug die Mauer mit einem Trabant
Beeinflusst von den Ereignissen schuf er zwei Kunstinstallationen, die die Sichtweise eines Mannes widerspiegeln, der von der östlichen Seite kommt. „Die goldene Zukunft” (Złota przyszłość) zeigt einen Trabant, der die Mauer durchschlug. Auf der Westseite ist das Auto goldfarben lackiert, auf der Ostseite bleibt es grau. Die zweite Installation mit dem Titel „Bärenhunger” (Wilczy apetyt) zeigte eine Aluminiumgabel, die ebenfalls die Wand durchstieß. Bei beiden Installationen ist die Symbolik suggestiv und eindeutig im Zusammenhang mit den Träumen der Bewohner des ehemaligen Ostblocks von einem besseren Leben. Für diese Werke verwendete Wasecki eine Wandimitation. Zufällig erfuhr Dr. Rainer Hildebrandt, Gründer und Leiter des Mauermuseums, durch einen von Waseckis Patienten, von den Installationen. Er war von der Idee beeindruckt und schlug dem polnischen Zahnarzt vor, eine Installation in der echten Wand vorzunehmen.
Die Mauer für Touristen
Er vermittelte Wasecki den Kontakt zu Hagen Koch, einem ehemaligen Stasi-Offizier und Kartographen, der 1961 den Verlauf der ersten Linie der Mauer abgesteckt hatte. Später, nach dem Zusammenbruch der DDR, war er für deren Zerschlagung verantwortlich. Koch half Wasecki bei der Beschaffung der ersten sechs Segmente der echten Mauer, die 1991 nach Polen gingen. Kurz darauf erwarb Wasecki weitere Elemente der Mauer. Die DDR-Regierung bot in Monte Carlo mehrere Dutzend Betonmodule zur Auktion an. Wasecki kaufte mehrere Segmente zu sehr günstigen Konditionen und transportierte sie ebenfalls nach Sosnówka. Mit der Zeit erwarb er weitere Blöcke. Heute ist die Berliner Mauer zu einer der originellsten Touristenattraktionen in Niederschlesien geworden.
Der Trabant, der einen der Segmente durchbohrt hat, ist heute auf dem Feld bei Sosnówka nicht mehr zu finden, aber man kann ein Fragment mit einem Loch identifizieren, in das das Auto passen könnte.
Text und Fotos: Sławomir Szymański