Vorläufig letzter Einsatz auf dem Friedhof in Nieder-Schreiberhau

Verbunden mit einem Anlauf zu einem möglichen neuen Friedhof-Projekt in Niederschlesien

Ein Bericht und Ausblick von Friedemann Scholz.

Mitglieder der Landsmannschaft Schlesien/ Landesverband Sachsen und Freunde Schlesiens trafen sich vom 22.-24.10.2021 erneut in Nieder-Schreiberhau, um die noch nötigen letzten Arbeiten auf dem evangelischen Friedhof zu vollenden. Über die beiden ersten Einsätze berichtete SILESIA News am 6. Oktober 2020 und am 19. Oktober 2021.

Am Freitagmittag stellte die Stadt Schreiberhau erneut Werkzeug und Getränke zur Verfügung. Die Arbeiten konnten beginnen. Dazu wurde die gesamte Fläche des Friedhofs noch einmal sondiert. Bisher übersehene, eingegrabene oder zerbrochene Grabsteine wurden gekennzeichnet und für die Bergung und Aufstellung vorbereitet. Die Anzahl der noch zu bergenden Steine übertraf unsere Erwartungen. Außerdem fand eine weitere Reinigung von Inschriften statt.

Vertieft in der Arbeit bei durchwachsenem Wetter.

Das gemeinsame Arbeiten mit dem Bürgermeister, Angestellten der Stadt und Einwohnern Schreiberhaus begann am Sonnabend 10 Uhr. Die Wetterverhältnisse verhinderten die offizielle Eröffnung. Regenschauer, Wind und Sonne begleiteten den ganzen Einsatztag. Rübezahl freute sich über das emsige Treiben aber vergoss so manche Träne, weil es der vorerst letzte gemeinsame Arbeitseinsatz auf diesem Friedhof war. Diese Gedanken halfen bei so manchem Regenschauer. Pünktlich zu Arbeitsbeginn war auch der Baggerführer mit seiner Technik vor Ort. Eine vierköpfige Arbeitsgruppe stand ihm bis zum Ende der Arbeiten zur Seite. Insgesamt waren an dem Tag ca. 25 Personen zu den geplanten Arbeiten erschienen. Die Technikgruppe barg die am Freitag markierten Grabsteine, stellte sie auf und richtete Einfassungen. Größere Erdhaufen, Baumwurzeln u.a. wurden ebenfalls entfernt bzw. geebnet. Die anderen Teilnehmer hantierten mit Spachteln, Kellen und Bürsten beim Reinigen der freigelegten Steine.

Zur Mittagszeit brachte die Stadtverwaltung heißen Tee vor Ort. Außerdem gab es Würste zum Selbergrillen am offenen Feuer. Bei dem Wetter genau die richtige Verpflegung. Gegen 15 Uhr waren die Arbeiten abgeschlossen. Mindestens zwanzig große Grabmale und einige Fragmente gaben ihre jahrzehntelang verborgenen Namen preis. Damit konnten an drei Arbeitswochenenden insgesamt ca. 300 Grabsteine geborgen und dokumentiert werden. Alle aufgefundenen Namen, Lebensdaten und Berufe sollen katalogisiert und veröffentlicht werden.

Einweihung der neuen Grabplatte für Carl Hauptmann.

Am selben Tag um 16 Uhr fand auf dem Friedhof auch die öffentliche Einweihung der neuen Grabplatte für Carl Hauptmann (SILESIA News berichtete über die Spendenaktion) statt. Dazu fanden sich Kommunalpolitiker, Sejm-Abgeordnete, Bürgermeister Mirosław Graf, die Direktorin des Hirschberger Riesengebirgsmuseums Julita Zaprucka, der Vorsitzende des Vereins VSK Christopher Schmidt-Münzberg, der Bevollmächtigte für Vertriebene und Spätaussiedler in Sachsen Dr. Jens Baumann, Einwohner und auch die Beteiligten am Arbeitseinsatz ein. Dabei betonte Mirosław Graf in seiner Rede, dass das jetzige Aussehen und die Entwicklungsperspektive des evangelischen Friedhofs in Nieder-Schreiberhau ohne die Hilfe der Mitglieder der LM Schlesien/ LV Sachsen nicht möglich gewesen wäre. Eine großartige Würdigung der Leistung der Landsmannschaft vor den anwesenden Gästen der Veranstaltung.

Den Abschluss des Tages bildete das Aufstellen und Anzünden von 100 Grablichtern durch die Mitglieder der LM Schlesien auf beiden Teilen des Friedhofs. Diese Geste wurde beim vorangegangenen Arbeitseinsatz von den deutschen Gästen vorgeschlagen und prompt von der Stadtverwaltung aufgegriffen. Die Stadt spendierte die Kerzen für diesen Anlass, die den Friedhof in der Dunkelheit zu einem Lichtermeer werden ließ. Auf diese Weise wurde in Ehrfurcht der verstorbenen früheren Einwohner gedacht, die durch die geleisteten Arbeitseinsätze zu einem großen Teil ihre Namen und Würde zurückerhielten. Auch nach dem vorläufigen Ende der Arbeiten wollen Mitglieder der LM Schlesien, Bürgermeister und städtische Angestellte weiterhin in Kontakt bleiben und sich einmal jährlich treffen. Aus einem ersten Kontakt und Annäherung ist Freundschaft geworden. Ein Lichtblick in dieser unruhigen Zeit.

Kerzenlicher und Gedenken an die verstorbenen ehemaligen Bewohner von Schreiberhau.

Am Sonntag wartete schon die nächste Aufgabe. Erstmals trafen sich Mitglieder der LM Schlesien/LV Sachsen mit Hanna Szurczak, einer Vertreterin des polnischen Vereins „TILIAE“ aus Liegnitz. Dieser setzt sich auch für die Erhaltung ehemaliger deutscher Friedhöfe ein. Unter anderem hat der Verein den Friedhof in Pfaffendorf (Liegnitz) wieder sichtbar gemacht (SILESIA News berichtete). Frau Szurczak kontaktierte den Vorsitzenden der sächsischen Gruppe der LM Schlesien und bat um Hilfe beim Erhalt des Friedhofs in Reichenbach / Eulengebirge (Dzierżoniów). Es gibt Pläne, ihn in ein Lapidarium zu verwandeln. Auf Grund seiner vorhandenen Substanz wäre das aber die schlechteste Lösung.

Nach dem Treffen mit TILIAE, Vertretern von Reichenbach und LM Schlesien.

Zu einer gemeinsamen Erörterung verabredete man sich in der Iser-Baude in Schreiberhau. Wie würde der erste Kontakt laufen, versteht man sich? Frau Szurczak begleiteten zum Treffen noch Eugen Fuchs, seine Tochter Renate und der stellv. Bürgermeisterin von Reichenbach, Frau Pieszczuch. Die Verständigung klappte vom ersten Augenblick an und schnell befanden sich die Teilnehmer im vertrauensvollen Gespräch und Erfahrungsaustausch. Ein Rundgang auf dem Friedhof Nieder-Schreiberhau, bei dem die kleine Delegation aus Liegnitz und Reichenbach das Ergebnis der gelungenen Zusammenarbeit von Stadt und Landsmannschaft sehen konnte, half letzte Zweifel zu überwinden. Beide Seiten einigten sich auf eine Zusammenarbeit und einen ersten Termin im März oder April 2022. Bis dahin sollen alle Vorbereitungen getroffen werden, die für eine gelungene Aktion nötig sind. Alle Beteiligten stehen seitdem in engem Kontakt.

An dieser Stelle ein herzlicher Dank an das Sächsische Ministerium des Innern für die Förderung des Projekts. Außerdem geht erneut ein großes Dankeschön an Armin Hübner und Roberto Pusch, die mit Back- und Wurstwaren für das leibliche Wohl sorgten.

Hier noch ein paar Verweise auf polnische Veröffentlichungen im Netz, im Fernsehen und sozialem Netzwerk über den Arbeitseinsatz in Schreiberhau. Erneut fand er ein breites öffentliches Interesse.

https://24jgora.pl/artykul/odzyskana-pamiec/1234668

http://www.szklarskaporeba.pl/de/ereignisse/archiv-der-ereignisse/allgemeine-informationen/4788-na-pamiatke-umarlych.html

https://wroclaw.tvp.pl/56544419/23102021-2130, ab min 2:40

https://wroclaw.tvp.pl/56543157/23102021-1830, ab min 6:30

https://wroclaw.tvp.pl/56562900/odslonieto-nowa-plyte-nagrobna-na-miejscu-pochowku-carla-hauptmanna, Video ansehen

https://www.facebook.com/MiastoSzklarskaPoreba/videos/2682158058745041/ Interview mit unserem Mitglied Robert Wollny

Text und Bilder: Friedemann Scholz