Dorothea von Philipsborn – Annäherung an ein ungewöhnliches Leben

Das Glasmuseum in Weißwasser (Oberlausitz) präsentiert Werke und Biographie der schlesischen Künstlerin

Das Schlesische Museum zu Görlitz stellte für die Schau Dokumente und Fotos aus dem Nachlass der Künstlerin zur Verfügung.

Im Glasmuseum in Weißwasser wird derzeit und noch bis Ende Oktober 2022 eine Ausstellung über die schlesische Bildhauerin Dorothea von Philipsborn (1894-1971) präsentiert.

Die kompakte, informative, gut aufgebaute und eine sinnliche Schönheit der Objekte ausstrahlende Schau im Sonderausstellungsraum des Glasmuseums wurde am 15. Juli eröffnet und endet am 30. Oktober 2022, zusammen mit der großen Ausstellung „Zwischen Tradition und Moderne. Die Bildhauerinnen Dorothea von Philipsborn und Renée Sintenis im Dialog“ des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst im Dieselkraftwerk in Cottbus.

Das Schlesische Museum hat das Glück, den fotografischen Nachlass der Künstlerin zu verwahren, die lange Zeit in Vergessenheit geraten ist. Dabei lassen sich ihre bildhauerischen Werke auch gegenwärtig an öffentlichen Plätzen, besonders im Raum der Oberlausitz, wiederfinden. Darüber hinaus birgt ihr Nachlass unzählige Werkfotografien und Schriftzeugnisse, die uns wertvolle Rückschlüsse auf ihr umfangreiches plastisches Werk und ihr bewegtes Leben geben. Einiges aus dem Nachlass ist bei der Ausstellung in Weißwasser zu sehen.

Dorothea von Philipsborn wird am 20. Mai 1894 auf Gut Strehlitz im Kreis Schweidnitz (heute Strzelce, Gemeinde Marcinowice) in Schlesien geboren. Hier wächst sie gemeinsam mit ihren Eltern, dem Rittmeister a.D. Adolf von Philipsborn und seiner Frau Maria Franziska, geb. Heyder, und mit zwei Brüdern auf.

Das ehemalige Gutshaus in Strehlitz mit Blick auf die Terrasse, Strehlitz, 1930er Jahre, zeitgenössische Fotografie, © Foto: Schlesisches Museum zu Görlitz.

Schon als junges Mädchen beschäftigt sie sich zur eigenen Freude mit dem Modellieren von Kleinplastiken und Porträtbüsten. Angeregt durch eine 1908 stattgefundene Italienreise beginnt die 14-Jährige eine Ausbildung zur Bildhauerin. Da Frauen vor dem ersten Weltkrieg nicht an Kunstakademien studieren durften, wird ihr Talent durch Privatlehrer gefördert. Bereits 1910 nimmt sie Privatunterricht bei Prof. Paul Schulz (1875-1945) in Breslau und anschließend bis 1920 bei Prof. Peter Pöppelmann (1866-1947) an der Kunstakademie in Dresden. In dem Dresdner Kunsthändler und Galeristen Heinrich Kühl (1886-1965) findet sie einen Förderer, der ihre ersten Arbeiten ausstellt, worüber sie Bekanntheit in der Künstlerszene erlangt.

Dorothea von Philipsborn, Denkmal „Denkt an Oberschlesien“, Schweidnitz 1922,G ranit, zeitgenöss. Fotografie, SMG F/2009/0009, © Foto: Schlesisches Museum zu Görlitz.

Bemerkenswert ist ihr erster großer Auftrag der knapp 2,50 m hohen, aus Granit geschlagenen Monumentalplastik “Wieland der Schmied”, welche als „Oberschlesien-Denkmal“ 1922 in Schweidnitz eingeweiht wird. Bis heute erinnert es im polnischen Świdnica an die Volksabstimmung im März 1921 und an den Verlust Ost-Oberschlesiens. Das Mahnmal verschafft der jungen Bildhauerin viel Anerkennung – und neue Aufträge für Kriegerdenkmäler in der Region.

Parallel widmet sie sich Aktdarstellungen von Kindern und jungen Menschen. Bis 1945 entstehen rund 50 Einzel- und Zweiergruppen. Auch ihr späteres künstlerisches Schaffen ist besonders von Kleinplastiken geprägt. Sie zeigen zumeist Knaben- oder Mädchenfiguren, denn das wiederkehrende Motiv der Künstlerin ist stets der junge Mensch, den sie in Einzel- oder Zweiergruppen sitzend, stehend oder in Bewegung darzustellen vermag. Ihr bildhauerisches Geschick zeigt sich auch in der Anfertigung einiger Porträtbüsten, die sowohl bekannte Persönlichkeiten als auch Personen ihres privaten Umkreises darstellen. Für ihr bildhauerisches Werk nutzt sie die verschiedensten Materialien, wie z. B. Bronze, Gips, Zinn, Terrakotta, Marmor, Holz oder Keramik.

Nach der Vertreibung von ihrem Gutsbesitz in Strehlitz 1946, sollte Dorothea von Philipsborn in der Oberlausitz eine neue Heimat finden. Sie lebt zunächst in der Gemeinde Trebendorf, bevor sie sich 1953 in Weißwasser niederläßt und dort auch weiterhin umfangreich künstlerisch tätig ist. Auftragswerke wie Figuren für den öffentlichen Raum, z. B. Brunnen- oder Tierplastiken, sicheren ihren Lebensunterhalt. Nach einem Schlaganfall 1966 verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand, was ihr ein weiteres schöpferisches Arbeiten unmöglich macht. Dorothea von Philipsborn stirbt am 31. August 1971 in Weißwasser, ihre Werke jedoch überdauern sie bis heute.

Ihren beeindruckenden Lebensweg dokumentiert ein zehnminütiger Film, der im Juli 2022 im Schlesischen Museum entstanden ist:

Der Film wurde produziert im Rahmen des Interregprojekts „Schlesien – gemeinsames Kultur- und Naturerbe“ mit dem Nationalpark Riesengebirge, gefördert aus Mitteln des Kooperationsprogramms INTERREG Polen-Sachsen 2014-2020.

Text: Agnieszka Bormann, Quellen: Ausstellungskatalog „Dorothea von Philipsborn. Zwischen Tradition und Moderne“ sowie Publikationen des Schlesischen Museums zu Görlitz

Bilder (wenn nicht anders angegeben): Agnieszka Bormann