Eine Woche unter der Erde gefangen

Ein Grubenunglück, das in die Geschichte einging

Am 23. März 1971 kam es im Bergwerk „Rokitnica“ in Zabrze 800 Meter unter der Erdoberfläche zu einem starken Beben.

Es war gegen 16 Uhr des 23. März 1971, als es im Bergwerk „Rokitnica“ in Zabrze (1915-1945 amtlich Hindenburg) 800 Meter unter der Erdoberfläche zu einem starken Beben kam. In der Gefahrenzone befanden sich 19 Bergleute. Acht von ihnen konnten kurz nach der Katastrophe lebend geborgen werden. Zehn waren an der Stelle tot. Ein weiterer Bergmann, Alojzy Piontek, fand eine schützende Nische und wartete dort auf die Rettung.

Nachricht über den glücklichen  Ausgang der Rettungsaktion im Bergwerk „Rokitnica“ in der Kattowitzer Tageszeitung „Trybuna Robotnicza“, 31.03.1971. Quelle: www.sbc.org.pl, Schlesische Digitale Bibliothek (Śląska Biblioteka Cyfrowa).

Seine Lage war allerdings äußerst schwer. Er erlitt zwar keine Verletzungen, hatte aber weder Wasser noch Ernährung. Sein starker Überlebenswille ließ ihn jedoch nicht aufgeben. Sechseinhalb Tage lang aß er Teile eines hölzernen Schaufelstiels und trank eigenes Urin. Die Rettung kam nach 158 Stunden, als über Tage viele schon die Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang verloren haben. Zum wiederholten Male erwies sich die alte Regel der Grubenwehr als berechtigt: Solange keine Leiche gefunden wurde, geht man davon aus, dass man einem lebenden Menschen zur Rettung eilt.

Geschichte Alojzy Pionteks in einem Comic-Magazin aus den 1970er Jahren.

Breit kommentiert wurden die ersten Worte des geretteten Bergmanns. Er fragte nämlich die Grubenwehrleute nach dem Ergebnis des Spiels zwischen „Górnik Zabrze“ und „Manchester City“ im europäischen Pokal der Pokalsieger, das einen Tag nach der Katastrophe stattfand. Von der Vereinsführung bekam der treue Fan dafür eine lebenslange Dauerkarte für die Heimspiele der Zabrzer Fußballmannschaft. Piontek ging als erster Bergmann in die Geschichte ein, der ohne Essen und Trinken fast sieben Tage unter der Erde überlebte.

Das Grubenunglück im Bergwerk „Rokitnica“ war nicht das tragischste im oberschlesischen Bergbau. Im März 1896 verursachte ein Bergmann der Kleophasgrube in Kattowitz (Katowice) einen Zimmerungsbrand, der 105 Tote forderte. Insgesamt 72 Bergleute starben wiederum 1958 infolge eines unterirdischen Brandes in der Zeche „Makoszowy“, früher Delbrückgrube, in Zabrze. Schuld an diesem dramatischen Ereignis waren ein menschlicher Fehler und der Druck vonseiten der Behörden, die darauf bestrebt waren, ohne Rücksicht auf die Sicherheit der Menschen möglichst hohe Fördermengen zu erreichen. Die meisten Opfer von „Makoszowy“ erlagen nicht Verbrennungen, sondern erstickten. Die größte Katastrophe im oberschlesischen Bergbau ereignete sich 1923 in der Heinitzgrube (später Zeche „Rozbark“) in Beuthen (Bytom) und kostete 145 Menschen ihr Leben. Der Gasausbruch, zu dem es in 420 Metern Tiefe kam, war so stark, dass er über einen der Schächte sogar an die Oberfläche gelangte.

Massengrab der 1923 in der Heinitzgrube verunglückten Bergleute auf dem Friedhof in Beuthen-Rossberg (Bytom-Rozbark). Foto. D. Smolorz.

Auch in der jüngsten Vergangenheit ereigneten sich in Oberschlesien einige schwere Grubenunglücke. Im Jahre 2009 starben nach einer unterirdischen Methanexplosion im Bergwerk „Śląsk“ in Ruda (Ruda Śląska) 20 Kumpels. 2006 kam es in der Rudaer Zeche „Halemba“ zu einer Katastrophe, die ähnliche Ursachen hatte. Sie forderte 23 Opfer. In demselben Jahr lebte infolge eines Grubenunglücks in derselben Zeche die Erinnerung an das Schicksal Alojzy Pionteks wieder auf. Im Februar 2006 haben dort nämlich Grubenwehrleute einen Bergmann gerettet, der nach einem Bergschlag 111 Stunden unter der Erde gefangen war.

Zweisprachige Tafel auf dem Massengrab der Opfer der Grubenkatastrophe in der Kleophasgrube in Kattowitz 1896. Quelle: Michał Bulsa, Wikimedia Commons.

Text: Dawid Smolorz