Am 19.2.2020 ging das Podium Silesia an den Start
Etwa 50 Gäste beim Vortrag von Dr. Gregor Ploch zur geopolitischen Neuordnung Europas nach 1918 und zu ihren Folgen für Oberschlesien.
Dr. Gregor Ploch: Die geopolitische Neuordnung Europas nach 1918 und ihre Folgen für Oberschlesien
Podium Silesia ist das neue Veranstaltungsformat des Kulturreferenten für Oberschlesien am Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen. Die Reihe wurde am 19. Februar 2020 mit dem Vortrag von Dr. Gregor Ploch eröffnet.
Der Historiker und Theologe Ploch erörterte zunächst den Begriff der Geopolitik als Wissenschaft von der Einwirkung geografischer Faktoren auf politische Vorgänge und politisches Handeln. Diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte wissenschaftliche Ausrichtung wurde vor allem vom Briten Halford John Mackinder (1861–1947) bekannt gemacht, der in seinen Überlegungen insbesondere auf die Unterscheidung politisch-wirtschaftlicher Motivationen zwischen See- und Landmächten einging. Seiner Auffassung nach sei zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Ende der Vormachtstellung von Seemächten und der Beginn einer Epoche der Landmacht eingeleitet worden, der es gelänge, Eurasien zu beherrschen und bis an die Küsten auszudehnen. Seiner Theorie nach kam dem eurasischen Herzland (heartland) und vor allem Osteuropa eine besondere Rolle zu: „Wer über Osteuropa herrscht, beherrscht das Herzland. Wer über das Herzland herrscht, beherrscht die Weltinsel. Wer über die Weltinsel herrscht, beherrscht die Welt.“
In der Tat rückten die Geschehnisse im Anschluss an den Ersten Weltkrieg und an die Versailler Friedensverhandlungen in der mittelosteuropäischen Region in das Zentrum des Weltgeschehens. Im Interesse der Siegermächte war die Wiedergründung Polens als Staat, der zwischen dem zaristischen bzw. bolschewistischen Russland auf der einen, und Deutschland auf der anderen Seite eine starke Pufferzone bildete. Im Zentrum der Überlegungen war auch Oberschlesien und insbesondere das oberschlesische Industrierevier, welches Polen zugeschlagen werden sollte, damit der junge Staat eine wirtschaftliche Überlebensbasis erhielt und seine ihm angedachte Rolle ausfüllen konnte. Bei der Durchsetzung dieser Idee sollte die Tatsache helfen, dass die autochthone Bevölkerung in der Region überwiegend einen polnischen Dialekt sprach und ihr nach damaligem Verständnis eine polnische nationale Identität zugesprochen wurde. Die Stimmung in Oberschlesien war polarisiert und es kam zu Aufständen zwischen den Anhängern beider Optionen. In einem Plebiszit sollten die Bewohner dann entscheiden, ob ihre Heimatregion bei Deutschland verbleiben oder dem polnischen Staat zugeschlagen werden sollte. Das Ergebnis war ein Flickenteppich nationaler Einstellungen mit deutlichen Stadt-Land-Verschiebungen (auf dem Land propolnisch, in den Städten prodeutsch), aber insgesamt einem ca. 60 zu 40-Votum für Deutschland. Am 20. Oktober 1921 beschloss der Oberste Rat der Alliierten auf Empfehlung des Völkerbundes eine Abtrennung des ostoberschlesischen Reviers von Deutschland, und am 15. Mai 1922 erfolgte die staatsrechtlich bindende Teilung der Region, die in hohem Maße auch auf geopolitische Erwägungen der Siegermächte des Ersten Weltkrieges zurückzuführen war. (ds)
Der Vortrag ist ab sofort als Video auf Youtube abrufbar.
Foto: Oberschlesisches Landesmuseum