Geteilte Ortschaften in Oberschlesien

Im Süden Oberschlesiens, zwischen Ratibor und Patschkau, gibt es eine untypische touristische Attraktion:

Orte, die – obwohl sie seit über 270 Jahren durch eine Staatsgrenze geteilt sind – einheitliche Strukturen bilden und ähnliche Namen tragen.

Nach den schlesischen Kriegen Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Großteil der Region preußisch. Bei Österreich verblieb nur der südliche Streifen mit Troppau/Opava und Teschen/Cieszyn. Die neue Grenze wurde oft entlang der Bäche und Straßen gezogen. Verliefen sie quer durch ein Dorf, wurde dieses in einen preußischen und einen österreichischen Teil geteilt. Ein solches Schicksal erlebten damals mehrere Orte in Schlesien, unter anderem Groß Kunzendorf (ca. 20 km von Neisse/Nysa), das seit mehr als zweieinhalb Jahrhunderten innerhalb der Grenzen von zwei verschiedenen Staaten liegt – ursprünglich waren es Preußen und Österreich, später Deutschland und die Tschechoslowakei und heute sind es Polen und Tschechien. In der kommunistischen Zeit markierte der Grenzzaun eine deutliche Trennlinie zwischen den beiden Teilorten, die nun offiziell Sławniowice und Velké Kunětice hießen. Ein Grenzübertritt war in kleineren Ortschaften nicht möglich, obwohl sich die Bewohner der Häuser, die manchmal nur wenige Dutzend Meter voneinander entfernt waren, fast die Hände reichen konnten. Auch Gespräche zwischen den Nachbarn, die in verschiedenen Ländern lebten, waren damals verboten. Seit dem Beitritt Polens und Tschechiens zur EU, vor allem aber seit ihrem Beitritt zum Schengener Raum ist die Grenze kein Hindernis mehr und die beiden Teile des alten Groß Kunzendorf wachsen wieder zusammen.

Ein interessanter Fall ist Pilgersdorf bei Leobschütz/Głubczyce, dessen polnischer Teil offiziell den Namen Pielgrzymów trägt und tschechischer Pelhřimovy heißt. Wie überall in dieser Gegend fand dort nach 1945 ein kompletter Bevölkerungsaustausch statt. Während aber der polnische Teil von Pilgersdorf ununterbrochen bewohnt bleibt, verließen die Tschechien, die direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges am gegenüberliegenden Ufer des Flusses Troja anstelle der Deutschen angesiedelt worden waren, bereits um 1948 ihr neues Zuhause. Grund dafür war das vom tschechoslowakischen Verteidigungsministerium erlassene Bauverbot für den Grenzstreifen, das die Einwohner langfristiger Entwicklungsperspektiven beraubte. Heute ist der tschechische Teil ein überwuchertes Geisterdorf.

Die einzige Stadt, die in den 1740er Jahren der neuen Grenzziehung zwischen Preußen und Österreich zum Opfer fiel, war Tropplowitz (polnisch Opawica, tschechisch Opavice). In der veränderten Situation verlor sie bald nicht nur ihre Bedeutung, sondern auch das Stadtrecht. Die einzigen Relikte der einstigen Blüte stellen die Pfarrkirche und der ehemalige Ring dar, heute ein mit Gras bewachsener Platz. Ansonsten haben beide Teile von Tropplowitz einen ausgesprochen ländlichen Charakter.

Weitere durch die Grenze geteilte Dörfer gibt es unter anderem in der Nähe von Jägerndorf/Krnov (zum Beispiel Komeise – polnisch Chomiąża, tschechisch Chomyž, und Schönwiese – polnisch Krasne Pole, tschechisch Krasne Loučky) sowie südlich von Neisse (beispielsweise Ober Hermsdorf – polnisch Jasienica Górna, tschechisch Horní Heřmanice, und Gostitz  polnisch Gościce, tschechisch Horní Hoštice).

Text & Bilder: Dawid Smolorz