An vielen Orten in Niederschlesien wird geforscht – die Explorer sind aktiv
Unterirdische Objekte aus dem 2. Weltkrieg bergen viele Geheimnisse. Deren Lüftung ist das Hauptziel der Forschungsarbeiten.
Burg Tzschocha/ Zamek Czocha, Reichenstein/ Złoty Stok, Kleinschönau/ Sieniawka bei Bogatynia/ Reichenau, Gnadenfrei/ Piława Górna und Silberberg/ Srebrna Góra – an vielen Orten in Niederschlesien wird gesucht und geforscht, um die seit dem Zweiten Weltkrieg gut gehüteten Geheimnisse um unterirdische Objekte ans Tageslicht zu bringen.
Das Geheimnis des Stożek-Berges
Mittelberg/ Stożek heißt eine kleine Anhöhe zwischen Kleutschberg/ Góra Kluczowska und der Stadt Gnadenfrei/ Piława Górna bei Dzierżoniów/ Reichenbach im Eulengebirge. Während des Zweiten Weltkriegs verlegte das Bremer Unternehmen Atlas-Werke seinen Sitz nach Schlesien, in die Nähe der besagten Anhöhe, nachdem diese Stadt von den Alliierten bombardiert worden war. Der Auftraggeber der Atlas-Werke war Kriegsmarine, die Seestreitkräfte der deutschen Wehrmacht. Das Unternehmen in Gnadenfrei war in zwei großen, gegen 1943 errichteten Hallen, untergebracht. Reste der ehemaligen Gebäude, die sich vorher an der Habendorferstraße (heute: ulica Groszowiecka) befanden, gibt es bis zum jetzigen Zeitpunkt.
In diesem Werk seien Motorbauteile für bemannte Torpedos „Neger“ und „Marder“ hergestellt worden, sagt Andrzej Boczek, Forscher, der sich mit der Geschichte von Reichenbach im Eulengebirge und dessen Umgebung befasst. Er meint, dass es einen Teil der Atlas-Werke möglicherweise auch unter der Erde, und zwar unter Questenberg/ Góra Parkowa, gegeben habe. Auf dem von einem amerikanischen Piloten am 20. Februar 1945 gemachten Luftbild sei deutlich erkennbar, dass auf dem Mittelberg, der 800 Meter von den Atlas-Werken entfernt war, auch einige Arbeiten stattfanden.
„Wir wissen, dass zwischen dem Werk und dem Stożek-Berg eine Schmalspurbahn gebaut wurde. Den Berichten der ersten Bewohner von Gnadenfrei lässt sich entnehmen, dass sich an dieser Stelle einige unterirdische Hohlräume befinden könnten“, sagt Andrzej Boczek. Gemeinsam mit Ivan Silver von Geograph Lasocin hat der Forscher gegen Ende Juli Messungen mit Bodenradar und Magnetometer vorgenommen. Die ersten Messergebnisse waren schon überraschend. Der Geländescan machte einen 18 Meter langen Stollen sichtbar, der sich etwa vier Meter unter der Erde befindet.
„Sein Zweck bleibt uns aber unbekannt. Auf die Frage, ob sich der Stollen bis zu den Atlas-Werken in Gnadenfrei (die Gesamtlänge von ca. 800 m) erstreckte oder aber ein werkseigenes Lager war, das in einiger Entfernung gebaut wurde, um die Bauteile oder Produkte auf Vorrat zu lagern, damit sie von Bomben verschont bleiben, können wir derzeit keine klare Rückantwort geben“, erklärt Andrzej Boczek. Als Nächstes hat er vor, die Messungen durch invasive Verfahren zu ergänzen, um das Innere des Stożek-Berges zu erkunden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er versucht, den Stolleneingang freizulegen oder eine Bohrung zu machen.
„Geschichte mal locker nehmen“
In Silberberg führt seine Untersuchungen der Verein „Historia Na Luzie“ (frei übersetzt: Geschichte mal locker nehmen) durch. Die Forscher wurden von Jan Duerschlag und seiner Frau, die vor einigen Jahren eine Silbergrube aus dem 17. Jh. entdeckt hatten, dazu eingeladen, einige Informationen zu überprüfen. So sollen sie dem Thema auf den Grund gehen, ob es einen Eingang in eine andere Grube oder einen Tunnel gibt, der zu der bereits bekannten Silbergrube eine unterirdische Verbindung hätte. Der Verein analysiert u. a. Vermessungskarten von 1974 mit markierten Bergbauobjekten um Silberberg, Aussagen von Augenzeugen und historische Beschreibungen.
„Stelle, die wir gerade untersuchen, sieht vielversprechend aus, zumal einer der Gänge genau in die Richtung des vermeintlichen Eingangs bzw. Tunnels führt. Durch eine Einsturzstelle, auf die wir gestoßen sind, müssen leider weitere Arbeiten eingestellt werden“, so Jacek Łokaj vom Verein „Historia Na Luzie“. Unterirdische Geheimnisse wirken wie ein Magnet auf Forscher und der Sommer ist ohnehin die beste Saison für solche Entdeckungen.
Forschungsarbeiten werden auch auf dem Gelände der ehemaligen Junkerswerke in Kleinschönau/ Sieniawka bei Bogatynia/ Reichenau in der Nähe von Görlitz-Zgorzelec durchgeführt. Der Legende nach gibt es hier einen riesigen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs überschwemmten Untergrund. Elżbieta Szumska, Inhaberin der Goldgrube in Reichenstein/ Złoty Stok, möchte Aufräumungsarbeiten an der Einsturzstelle vom Anfang 1945 durchführen. Hinter dem eingestürzten Gang sollte sich ein gut gesicherter Inhalt der Bankdepots befinden. Auch auf der Burg Tzschocha/ Zamek Czocha dauern gerade Forschungsarbeiten an. Mithilfe von Laserscanning soll die Frage beantwortet werden, ob weitere geheime Räume im Burgkeller versteckt sind.
Text: Joanna Lamparska
Übersetzung: Jowita Selewska