Das entweihte Kirchengebäude befindet sich in Obhut eines Heimatvereins und dient kulturellen Zwecken
Alles, was wert ist, für zukünftige Generationen bewahrt zu werden, wird in einer Ausstellung präsentiert.
Nach vielen Jahren ist es endlich gelungen, der ehemaligen evangelischen Schinkel-Kirche in Kanth (Kąty Wrocławskie) einen neuen Glanz und eine neue würdige Funktion zu verleihen. Zwar erfüllt das Gebäude keine religiöse Funktion mehr, ist aber inzwischen zum kulturellen Mittelpunkt der Stadt geworden.
Die evangelische Kirche wurde in den Jahren 1834-1836 nach dem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel gebaut. Nach dem zweiten Weltkrieg diente der Bau zuerst als Lagerraum und dann bis zum Jahr 1964 als Kino „Radość“ (Die Freude). Nachdem das Kino in das neue Kulturzentrum verlegt wurde, stand das Gebäude leer, bis es in den 1970er Jahren von der Kommunalen Kooperative übernommen wurde. Der Saal wurde „modernisiert“: die Emporen und die Reste des Altars niedergerissen und eine Zwischendecke gebaut. Unten befand sich ein Supermarkt, oben eine Heimatstube. Die Mitglieder des Heimatvereins (Stowarzyszenie Miłośników Ziemi Kąckiej), die oben in der ehemaligen Kirche ihren Sitz hatten, setzten sich mit Nachdruck für die Rettung des Gebäudes ein. In den Jahren 2018–2019 ist die Kirche von der Gemeindeverwaltung Kanth mit Geldern der Europäischen Union restauriert worden.
Heute befindet sich unten die öffentliche Bibliothek und oben die Heimatstube. Der Verein bereitete zusammen mit dem Zajezdnia – Zentrum für Geschichte aus Breslau/ Wrocław eine sehenswerte und mit großer Vorliebe für Details realisierte Ausstellung zur Geschichte der Stadt Kanth vor. Die Geschichte kann man hier durch die vielen kleinen Geschichten der einzelnen Objekte kennenlernen: der deutschen zurückgelassenen und der polnischen neu mitgebrachten Gegenstände. Besonders beeindruckend ist die Tatsache, dass alle Gegenstände von den Einwohnern der Stadt Kanth und Umgebung sind. Seit mehr als einem Jahrzehnt wurden sie von den Mitgliedern des Heimatvereins gesammelt – „alles, was wert war, für zukünftige Generationen bewahrt zu werden“. Und jeder Gegenstand hat eine eigene Geschichte: ein Brett mit der Inschrift Canth, das bei der Renovierung eines Hauses gefunden wurde, eine Miele-Waschmaschine aus den 1930er Jahren, die schon in der Vorkriegszeit zu den Luxuswaren gehörte, ein Mechanismus der alten Rathausuhr, der 2012 bei der Renovierung demontiert wurde, alte Flaschen aus der Preuss-Brauerei, die noch Keramikkapsel hatten, das mit herkömmlichen Motiven versehene Notgeld aus den 1940er Jahren, usw.
Alles wurde thematisch gruppiert: in der Ausstellung kann man in eine Apotheke, ein Geschäft, eine typische Stube oder in ein Fotoatelier reinschauen. Man kann bei jedem Teil zusätzliche Informationen bekommen, welche Betriebe, Produkte, Traditionen typisch für Kanth oder das spätere Kąty Wrocławskie waren, welche verschwanden oder welche nach dem Krieg woanders Fortsetzung fanden (z. B. im Thüringer Saalfeld/Saale werden bis heute Schuhe herstellt).
Die Ausstellung wird bald eröffnet und den Besuchern kostenlos zur Verfügung stehen. Es fehlt nur noch ein kleines, aber wichtiges Element: über dem Eingang zur Kirche befanden sich ursprünglich Engel aus gebranntem Ton, die in den Händen Eisengusstafeln mit Bibelsprüchen hielten. Sie sind nach dem Krieg in den 1950er Jahren verschwunden. Dank der Zusammenarbeit mit der Schinkel-Galerie in Berlin ist dem Verein gelungen, alte Fotos und genaue Skizzen aus dem Archiv zu bekommen. Diese wurden im entsprechenden Maßstab von Zbigniew Kuriata vergrößert und als Modelle aus dem Styropor ausgeschnitten. Auch die genauen Zitate wurden entziffert. Man probierte das Ganze an der Fassade aus – alles passt ideal. Leider fehlt es an Geld und die Engel müssen auf bessere Zeiten warten.
Wer von Ihnen spenden möchte oder über alte Bücher, Ansichtskarten oder Gegenstände aus Kanth oder Umgebung verfügt, kann sich mit den Mitgliedern des Vereins in den Kontakt setzten: http://www.smzk.katywroclawskie.com/kontakt/ Der Verein macht bestimmt guten Gebrauch daraus.
Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka