Erinnerungen aus einer dramatischen Zeit
Die zweisprachige Publikation des Museums in Gleiwitz/ Gliwice ist nicht nur ein interessantes Dokument der regionalen Geschichte – spannend ist auch das Schicksal des Tagebuchs selbst.
Sein Autor war Wolfgang Rönsberg (1910–1993), ein Chirurg aus Gleiwitz. Als einer der wenigen Ärzte blieb er nach der Evakuierung des Städtischen Krankenhauses am 22. Januar 1945 vor Ort und wurde Zeuge der Kämpfe, des Einmarsches der Sowjets und der darauffolgenden Ereignisse, die das Ende des deutschen Gleiwitz markierten.
Rönsberg schrieb zuerst Briefe an seine Frau Rosemarie, die zusammen mit ihren Kindern wegen der sich nähernden Front Oberschlesien verlassen hatte. Er schilderte darin die Lage in der Stadt. Als das nicht mehr möglich war, begann er, seine Erlebnisse und Beobachtungen in Form eines Tagebuchs zu dokumentieren. Mehr als 60 Jahre nach Kriegsende wurde das Heft mit den Aufzeichnungen Rönsbergs auf dem Dachboden des Gleiwitzer Borromäerinnen-Klosters gefunden. Prälat Paweł Pyrchała überreichte es dann Historikern aus dem Institut für Nationales Gedenken in Katowitz/ Katowice (IPN).
Historiker wissen zwar viel über die Zeit nach der Eroberung der Stadt durch die Rote Armee, aber es existieren relativ wenige schriftliche Quellen aus dieser Periode. In der ersten Phase erschien keine Presse und zu den damals entstandenen Dokumenten der sowjetischen Militärverwaltung haben Wissenschaftler nach wie vor keinen Zugang. Umso höher ist der Wert des Tagebuchs von Rönsberg, das die Zeit von Januar bis April 1945 umfasst. Die Aufzeichnungen beginnen kurz vor dem Einmarsch der Sowjets, schildern die Kämpfe in der Stadt und die dramatischen Ereignisse direkt nach ihrer Eroberung. Die letzten Texte entstanden bereits nach der Übernahme von Gleiwitz durch die polnische Verwaltung.
Das Tagebuch enthielt keine eindeutigen Angaben über den Autor. Der oberschlesische Historiker Dr. Sebastian Rosenbaum, der sich für die Herausgabe dieses Zeitdokuments einsetzte, konnte ihn aber nach mühsamer Arbeit identifizieren und nahm mit seinen in Deutschland lebenden Verwandten Kontakt auf. Da die Erinnerungen Wolfgang Rönsbergs zum Teil privaten Charakter haben, wollten die Herausgeber sie ohne Wissen seiner Nachkommen nicht veröffentlichen.
Wolfgang Rönsberg: „Dziennik dla Rosemarie”, Sprachen: Deutsch und Polnisch, Scans des Originaltagebuchs, übersetzt ins Polnische und bearbeitet von Sebastian Rosenbaum, 64 Seiten, 30 PLN, erscheinen im Museum in Gleiwitz, ISBN-978-83-958939-3-3.
Text: Dawid Smolorz