Auf Entdeckungstour im Park Bolko in Oppeln/ Opole

Mit der Stadtführerin Aneta Lissy-Kluczny erkundet Marie Baumgarten Oppelns Grünanlagen

Historisches, Kurioses und Wissenswertes – Geschichte und Gegenwart des beliebten Volksparks „Bolko“.

Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie leben in einer Stadt, die einen wunderschönen Park hat, er lädt wahrlich zum Flanieren ein. Sie erreichen ihn aber nur mit dem Boot, denn ein Fluss trennt Stadt und Park voneinander. Genau das war in Oppeln viele Jahre lang Realität. Anekdoten und Kurioses über den Volkspark „Bolko“.

Aneta Lissy-Kluczny lebt in Oppeln und bietet hier Stadtführungen in deutscher Sprache an. Inspiriert von dem von der Deutschen Minderheit herausgegeben Oppeln-Führer „Spaziergänge durch eine Stadt, die es nicht mehr gibt“, zeigt sie mir heute „Bolko“. Was den Park besonders macht: Er liegt auf einer Insel, umschlossen von der Oder und dem Entlastungskanal.

Ich treffe Aneta an der grünen Brücke, welche die Menschen über den Fluss in den Park trägt und nach Irena Sendler benannt ist, einer aus Warschau stammenden Sozialarbeiterin und Krankenschwester. Im Zweiten Weltkrieg leitete Sendler in der deutsch besetzten Hauptstadt die Kinderabteilung des „Rates für die Unterstützung von Juden“.

Erst im letzten Jahr ist die Brücke aufgehübscht und verbreitert worden. Dass sie die Stadt samt der Insel „Pascheke“ mit dem Park verbindet, ist für mich das Selbstverständlichste von der Welt. Doch das war nicht immer so.

Aneta Lissy-Kluczny führt in deutscher Sprache durch Oppeln/ Opole. Foto: Marie Baumgarten.

Erste Brücke kam nach 17 Jahren
Aneta packt die erste Anekdote aus, während wir gemächlich die Brücke überqueren. „Wir schreiben den 8. Juni 1913. Das ist der Tag der Eröffnung des neuen Volksparks. Und stell dir vor, das ist etwas ganz Besonderes für die Einwohner. Endlich dürfen sie hierherkommen und schauen, wie es geworden ist. Es gibt aber ein Problem: Damals gibt es keine Brücke.“ Genug Zulauf gibt es trotzdem, etwa 20.000 Oppelner kommen mit Booten und Kanus zur Einweihung, erfahre ich von Aneta. „Das war schon eine Leistung“, findet sie.

Die erste Brücke wurde 1930 gebaut, also 17 Jahre später. Ab dieser Zeit erst konnten die Oppelner gemütlich zum Volkspark zu Fuß laufen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, dann wurde sie gesprengt und die Oppelner hatten wieder das alte Problem. Erst in den 1960ern hat eine neue Brücke aus Nowy Sącz (Neu Sandez, Kleinpolen) die alte in Oppeln ersetzt.

Dem Kaiser gewidmet
Sieben Jahre ist es her, dass ich mein Zuhause in Leipzig zurückgelassen habe, weil mich die Arbeit als Journalistin nach Schlesien verschlagen hat. Dass ich mich in Oppeln wohl fühle, schreibe ich neben den mir lieb gewonnen Menschen der Landschaft zu: der Oder und dem Park. Und obwohl ich fast täglich im Bolko-Park jogge, sehe ich den großen, grauen Gedenkstein vorne am Parkeingang erst heute. Mir fällt auf, dass an einer Stelle irgendetwas fehlt. Aneta weiß mehr: „Auf diesem Stein gab es damals ein spezielles Medaillon. Darauf konnte man das Abbild von Kaiser Wilhelm II. sehen. Dem wurde nämlich dieser neue Volkspark gewidmet.“

Nur wenige Schritte sind es vom Kaiser-Denkmal bis zum Zoologischen Garten. „Den muss man unbedingt gesehen haben“, wirbt Aneta.

Ein Denkmal zu Ehren Kaiser Wilhelms II. Ihm wurde der Park 1913 gewidmet. Das Medaillon mit seinem Bild ist verschwunden. Foto: Marie Baumgarten.

Erfolgsfaktor Zoo
Anfangs ist der Zoo ein Tierpark gewesen und in privater Hand. Er hat immer mehr Besucher angezogen, vor allem Kinder. Weil das ein gutes Geschäft war, hat in den 1930er Jahren die Stadt Oppeln den privaten Tierpark übernommen und einen Zoologischen Garten daraus gemacht. Tiere aus aller Welt waren hier zu Hause, Löwen waren die größte Attraktion. Der Zoo florierte, zu deutschen wie zu polnischen Zeiten. Bis zum Jahr 1997. Aneta erinnert sich: „Wir hatten hier die Jahrhundertflut. Der Zoo war davon sehr stark betroffen. Viele Tiere sind gestorben, viele Gehege kaputtgegangen. Die Stadt Oppeln brauchte lange, um zu entscheiden: Bauen wir weiter aus, machen wir etwas daraus? Aber man kann glücklicherweise sagen: Der Zoo ist nach der Jahrhundertflut noch schöner geworden.“ Und: in diesem Jahr sind nach langer Abwesenheit auch die Löwen zurückgekehrt.

Im englischen Stil
Eichen-, Kastanien-, und Ahornbäume säumen zahlreich den Teerweg vom Zoo zu einer weiten Lichtung. Ein Park im englischen Stil. „Man wollte zeigen, dass man hier richtig gut Gras anpflanzen kann“, sagt Aneta und zwinkert mir zu. Den Entwurf für den Park machte Andreas Ulbrich. Er absolvierte die Königliche Lehranstalt für Obst- und Gartenbau in Proskau. Dann wurde er Stadtgärtner in Oppeln.

Aneta erinnert noch einmal an den Umstand, dass zu jener Zeit die Brücke fehlte, die wir vorhin passiert haben. „Die Bäume hat Andreas Ulbrich in den umliegenden Baumschulen gekauft und mit dem Zug nach Oppeln gebracht. Dann gab es wieder das Problem, dass es keine Brücke gab, also mussten die 12.000 Bäume mit den Booten transportiert werden.“

Damit nicht genug: Als sie ankamen, stellte sich heraus, es fehlten Leute, die sie anpflanzen. Doch der niedrige Wasserstand der Oder spielte dem Gartenmeister in die Hände. Viele Schiffe machten Zwangspause. Die Mitarbeiter hatten nichts zu tun. Deswegen hat Andreas Ulbrich sie gefragt, ob sie helfen. „Und diese fremden Menschen haben die 12.000 Bäume hier auf der Insel angepflanzt“, erklärt mir Aneta. Fremde Menschen, die beinahe schicksalshaft in Oppeln festsaßen. Sie haben den Park zu dem gemacht, was er ist. Ich werde nun mit anderen Augen die Eichen-, Kastanien-, und Ahornbäumen betrachten, die mir mit ihren Zweigen und Blättern zuwinken, wenn ich sie auf meiner täglichen Route passiere. Und dann werde ich denken: Danke, Fremde, dass ihr dieses Werk vollbracht habt.

Zum Anlegen des Parks sind 12.000 Bäume zuerst mit dem Zug nach Oppeln und dann mit dem Boot auf die Insel transportiert worden. Fremde haben sie angepflanzt. Foto: Marie Baumgarten.

Das Café am Teich
Wir gehen noch ein Stück weiter und erreichen bald ein kleines Café. Wenn nicht Corona ist, spielt sich das Leben im Bolko-Park genau hier ab. Paare und Familien, Junge und Alte, beisammensitzen, essen und trinken, den Ausblick genießen. Schlange stehen an der Bar. Daran erinnert nur der Lichter-Teppich über dem Freisitz, dazu die Musik, die verhalten nach draußen dringt. Die Tische bleiben leer. „Eine heiße Schokolade zum Mitnehmen, bitte!“

Ich setzte mich mit Aneta auf eine Bank vor das Café, wir nippen an unseren Getränken und beobachten die Enten auf dem Teich. Aneta deutet mit einem Fingerzeig in Richtung Wasser. „Wenn man hier drauf schaut, kann man zwei Inseln sehen. Es sind aber drei“, sagt Aneta, sie weiß auch zu diesem Platz etwas zu erzählen: „Jede von ihnen hat einen Namen: Gänse-Insel, Schwanen-Insel und Dr.-Born-Insel. Dr. Born hatte dafür gesorgt, dass auf der Insel ein Waisenhaus und ein Altenheim entstehen. Beides gibt es aber nicht mehr.“ Ich werde nicht müde, den Geschichten aus vergangenen Tagen zu lauschen und das ist nicht nur Anetas unterhaltsamer, fröhlicher Art geschuldet. Mir wird plötzlich klar: Der Park, der mir vertraut schien allein deshalb, weil ich ihn täglich besuche, war doch ein anonymer Ort geblieben. Ab heute aber wird der Park ein anderer sein für mich, wie ein Fremder, der ein Freund geworden ist.

Als die Parkanlage auf der Insel Bolko 1913 gegründet wurde, gab es diese Brücke noch nicht. Viele Menschen nahmen das Boot, um den Park zu erreichen. Foto: Marie Baumgarten.

Text und Fotos: Marie Baumgarten

Infobox: Eine Führung in deutscher Sprache können Interessierte bei Aneta Lissy-Kluczny anfragen. Alles Infos und Kontaktdaten finden Sie im Internet unter lissy-kluczny.pl.

Die Publikation „Spaziergänge durch eine Stadt, die es nicht mehr gibt“ ist im SKGD-Büro in Oppeln erhältlich.