Johannismarkt in Breslau/ Wrocław zieht Menschen an

Der traditionsreiche Markt ist die erste große Veranstaltung im öffentlichen Raum nach der Pandemie

Eine symbolische Rückbesinnung auf die lange Handelstradition der Stadt an der Oder.

Nach der langen Pandemiezeit versuchen die Städte zum normalen Leben zurückzukehren. Die Stadt Breslau/Wroclaw hat sich entschieden, den traditionellen Johannismarkt (Jarmark Świętojański, 21. Mai bis 28. Juni 2021) auf dem Ring für das Publikum zu öffnen. Zwar in einer kleineren Form als sonst, aber immerhin. Der Name des Johannismarktes knüpft an den Schutzpatron der Stadt – Johannes den Täufer. Und er wird immer einen Monat vor dem „Namenstag der Stadt“ organisiert. Auf dem Johannismarkt kann man sowohl lokale Produkte, wie z.B. den polnischen Trinkhonig, Bunzlauer Keramik, Produkte und Spielzeuge aus Holz, Leinewaren als auch Spezialitäten aus anderen Ländern, wie z.B. Süßigkeiten aus der Türkei kaufen. Man kann hier etwas Deftiges, wie Bigos also Sauerkraut mit Fleisch und Pilzen oder Schachliks essen oder etwas Kleines wie Oscypek, gerillten geräucherten Schafskäse aus der Hohen Tatra mit Preiselbeeren probieren. Der Johannismarkt dauert bis zum 28. Juni.

Die niederschlesische Hauptstadt hat eine lange Handelstradition. Ein Zustrom von Kaufleuten und Wanderern war schon immer durch die attraktive Lage der Stadt gesichert. Breslau lag am Schnittpunkt wichtiger europäischer Verkehrswege: der Bernsteinstraße, die von der Adria nach Norden zu den bernsteinreichen Ufern der Ostsee führte, und der Hohen Straße (auch Salzstraße oder Via Regia genannt), die von Spanien nach Westen in Richtung Ukraine und Russland ging. Von den Kaufmannstraditionen von Breslau zeugen die Funde, die in der südlichen Siedlung der Stadt – Hartlieb/ Partynice – gemacht wurden: 1906 wurden dort ca. 400-600 kg Bernstein ausgegraben, und 1936 wurden ca. 875 kg dieses wertvollen Minerals entdeckt. Dem Bernsteinweg folgten auch die Pilger, die zum Grab des Heiligen Adalbert gingen oder nach Spanien – zum Grab des Heiligen Jakobs in Santiago de Compostela. Im Mittelalter war es einer der drei wichtigsten Wallfahrtsorte (neben Rom und dem Heiligen Land).

Ab 1387 war Breslau Mitglied der Hanse. Zu dieser Zeit hatte die Stadt drei große Handelsplätze: den Ring, den Neumarkt und den Salzring. Dank zahlreicher Privilegien konnte sich die Stadt entwickeln und immer reicher werden. Die Kaufleute fühlten sich besonders durch die Jahrmärkte angezogen, die am Tag des heiligen Johannes des Täufers (am 24. Juni), am Tag der heiligen Elisabeth (am 19. November), am Tag der Geburt der Heiligen Jungfrau Maria (am 8. September) und in der Mitte der Fastenzeit (im Frühling) stattfanden. Die Kaufleute, die zu den Jahrmärkten kamen, waren vom Zoll befreit. Im Jahr 1669 wurde der Kanal zwischen der Oder und der Spree eröffnet. Die ersten Schiffe fuhren von Breslau in Richtung Berlin und Hamburg und legten die Strecke in 25 Tagen zurück. Breslauer Kaufleute importierten über Hamburg Kaffee, Tee, Reis, Schnupftabak, Zucker, Gewürze und englische Industrieprodukte. Aus Schlesien wurden Wolle, Leinen, Garn, Leder und Pelze exportiert, daher gehörten Wollmärkte zu den wichtigsten städtischen Veranstaltungen. Der in der Mitte des 13. Jahrhunderts nach dem Magdeburger Recht angelegte Ring wurde zum wirtschaftlichen Mittelpunkt der Stadt. Heutzutage hat sich das wesentlich verändert. Aber mindestens zwei Mal im Jahr, zum Johannismarkt und zum Weihnachtsmarkt, kehrt der Ring zu seiner ursprünglichen Handelsrolle zurück.

Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka