Kirchenruinen im Kreis Leobschütz

Ungeheilte Kriegswunden

Während in Niederschlesien zerstörte und nicht wiederaufgebaute Kirchen keine Seltenheit sind, ist dieses Phänomen in Oberschlesien kaum anzutreffen.

Aber es gibt eine Ausnahme: den Kreis Leobschütz/Głubczyce. Der Landstrich wurde im März 1945 zum Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee. Infolgedessen wurden dort auch viele Sakralbauten in Mitleidenschaft gezogen. Als das Leobschützer Land nach der Potsdamer Konferenz offiziell unter polnische Kontrolle kam, wurde dessen Bevölkerung vollständig ausgesiedelt. Die neuen Bewohner, die zu einem großen Teil aus den von der Sowjetunion annektierten Ostgebieten Polens stammten, haben mancherorts aus verschiedenen Gründen auf den Wiederaufbau der „deutschen Kirchen“ verzichtet. Entweder weil sie neue Gotteshäuser bauten, oder weil es in einem Nachbarort ein intaktes Gotteshaus gab.

Kirchenruine in Bladen. Quelle: Ralf Lotys, Wikimedia Commons.

Eine Ruine ist seit 1945 die St. Wenzelskirche in Deutsch Neukirch/Nowa Cerekwia. Obwohl das Objekt stark zerstört wurde, sind in seinem Inneren dennoch einige historische Grabplatten und Epitaphen erhalten geblieben, unter anderem jenes des 1649 verstorbenen Grafen Wenzel von Würben und Freudenthal. Eine bekannte Wallfahrtsstätte war früher die St.-Nikolaus-Kirche in Bladen/Włodzienin. Das bereits 1496 erwähnte Gotteshaus wurde nicht wiederaufgebaut, weil es in dem Ort noch eine zweite Kirche gab. Lange Zeit stand der ursprünglich gotische Bau verlassen auf einer Anhöhe über dem Trojatal. 2011 wurde die Ruine gesichert und der Kirchturm dient seitdem als Aussichtspunkt.

St. Wenzelskirche in Deutsch Neukirch. Quelle: Ralf Lotys, Wikimedia Commons. 

Eine Ruine bleibt bis heute auch die Kirche von Rösnitz/Rozumice, einem Ort, der zusammen mit dem vier Kilometer entfernten Steuberwitz/Ściborzyce Wielkie eine protestantische Enklave im katholischen Kreis Leobschütz bildete. Die katholischen Polen, die sich 1945 in dem Dorf anstelle der vertriebenen Deutschen niederließen, waren an einem Wiederaufbau des lutherischen Gotteshauses offensichtlich nicht interessiert. In den ersten Nachkriegsjahrzehnten suchten sie sonntags die Kirchen in den umliegenden Ortschaften auf, bis sie Anfang der 1980er Jahre in Rösnitz eine eigene Kirche bauten. Nach der politischen Wende gab es zwar die Idee, mit Unterstützung der in Deutschland lebenden Rösnitzer die Kirche mit einem Glasdach zu decken und auf dem Turm einen Aussichtspunkt zu errichten. Aber das Vorhaben erwies sich als zu kostspielig, da die Konstruktion der Kirche infolge eines in der kommunistischen Zeit misslungenen Abrisses stark geschwächt worden war.

Ehemalige protestantische Kirche in Rösnitz. Quelle: Ralf Lotys, Wikimedia Commons.

Ein interessanter Fall ist das durch die polnisch-tschechische, ursprünglich preußisch-österreichische Staatsgrenze geteilte Dorf Pilgersdorf (polnisch: Pielgrzymów, tschechisch Pelhřimovy). Denn zerstörte Kirchen gibt es dort in beiden Ortsteilen. Das im polnischen, früher deutschen Pilgersdorf befindliche Gotteshaus ist seit den Kämpfen von März 1945 eine Ruine. Erst in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts wurde in seiner Nähe eine kleine, neue Kirche errichtet. Auch die Kirche im tschechischen Ortsteil erfüllt ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr, da dieser seit den 1950 praktisch unbewohnt ist und heute einem überwucherten Geisterdorf gleicht.

Alte und neue Kirche in  Pilgersdorf. Foto: Dawid Smolorz.

Text: Dawid Smolorz