Gedenktafel erinnert an die Auswanderer-Registrierstation in Myslowitz/ Mysłowice

Myslowitz war Zentrum der mittel- und osteuropäischen Auswanderungsbewegung

Bis heute existieren architektonische Zeugnisse der Registrierstation, aber kein Museum.

Für anderthalb Millionen Migranten aus Europa, die im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert ihren american dream verwirklichen wollten, war die oberschlesische Stadt am Zusammenfluss der Weißen und der Schwarzen Przemsa ein wichtiger Etappenpunkt auf ihrem langen Weg in die neue Heimat.

Bis 1918 lag das preußische/deutsche Myslowitz in direkter Nähe der Grenzen zu Österreich-Ungarn und dem Russischen Kaiserreich. Nur einen Steinwurf entfernt war das berühmte Dreikaisereck. Die Stadt, die bereits seit den 1840er Jahren einen Anschluss an das preußische und damit auch an das gesamteuropäische Eisenbahnnetz hatte, genoss seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bei den Nachbarn aus dem Osten nicht ohne Grund den Rang eines Tores zur weiten Welt. Denn über sie führte der Weg vieler auswanderungswilliger russischer, österreichisch-ungarischer aber auch serbischer Untertanen, die in Nord- und Südamerika ein neues Leben beginnen wollten. In Myslowitz, das mit seinen eleganten Bürgerhäusern und öffentlichen Gebäuden nach und nach dem Ruf eines der Schaufenster Deutschlands gerecht wurde, eröffnete 1894 eine moderne Auswanderer-Registrierstation ihre Pforten.

„Nach Amerika, Kanada, Argentinien und Brasilien ist der schnellste, beste und billigste Weg über Myslowitz“ – dreisprachige Werbung der Schiffsagentur Max Weichmanns aus Myslowitz.

Dort wurden die Migranten, die es entweder auf legalem Wege oder mit Hilfe von Schleppern nach Deutschland geschafft hatten, ärztlich untersucht und registriert. Ihr Gepäck wurde vor der Weiterfahrt oft desinfiziert. Da viele Auswanderer aus den ländlichen Gebieten Osteuropas stammten, machten sie in Oberschlesien wegen ihrer bunten Volkstrachten einen recht exotischen Eindruck. Nach der Erledigung aller bürokratischen Formalitäten wurden die Migranten mit der Eisenbahn nach Hamburg oder nach Bremen gebracht. Dort setzten sie ihre Reise mit Schiffen fort. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wanderten mehr als 1,5 Millionen Menschen über Myslowitz nach Nord- und Südamerika aus.

Das Jahr 1914 und der Beginn des Großen Krieges markierten das Ende der großen Auswanderungswelle nach Übersee. 1922 verlor Myslowitz durch den Anschluss an Polen die Funktion einer Grenzstadt. Damit war auch die wohl größte Blütezeit in seiner Geschichte endgültig zu Ende. Teile der früheren Auswanderer-Registrierstation wurden 1923 in eine Durchgangsstelle für Auswanderer nach Frankreich umfunktioniert. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges befand sich auf diesem Gelände das deutsche Polizei-Ersatzgefängnis, in dem viele polnische Nazi-Gegner und polnisch gesinnte Oberschlesier inhaftiert und gequält wurden. 1945 wendete sich das Blatt. Das frühere deutsche Polizei-Gefängnis wurde vom polnischen Ministerium für Staatssicherheit übernommen. Opfer des nun kommunistischen Lagers wurden oberschlesische Deutsche und Polen, die die Abhängigkeit ihres Landes von Moskau nicht akzeptieren wollten.

Das Gelände, auf dem sich einst die Baracken befanden, in welchen Auswanderer auf ihre Weiterreise warteten und später Gegner der totalitären Systeme inhaftiert wurden, dient heute als Parkanlage. An seine frühere Funktion erinnern eine Gedenktafel und eine von der Stadtverwaltung angebrachte Informationstafel. Erhalten geblieben ist das ehemalige Hauptgebäude der Auswanderer-Registrierstation. Wegen seiner Verbindungsbrücke, die den Migranten einen direkten Übergang zum Bahnhof ermöglichte, gehört es zu den charakteristischsten Bauten der Stadt. Die Idee, darin ein Auswanderungsmuseum unterzubringen, konnte bisher nicht umgesetzt werden.

Text: Dawid Smolorz