Regionalisten finden in der digitalen Sammlung der Bibliothèque Nationale de France interessante Informationen
Im französischen Konsular-Bulletin von 1884 wird über den Weinbau in Schlesien berichtet.
“Der Wein aus Grünberg kann dank der in den letzten Jahren unternommenen Anstrengungen zur Verbesserung des Herstellungsverfahrens mit den besten Sorten aus Süddeutschland verglichen werden”, schrieben französische Diplomaten bereits im Jahr 1884. Die Informationen wurden in das konsularische Bulletin aufgenommen. Das vom Pariser Handelsministerium herausgegebene französische Konsularbulletin aus dem Jahr 1884 befindet sich in der Sammlung der Bibliothèque Nationale de France und ist auch in der digitalen Bibliothek Gallica verfügbar. Es umfasst 1448 Seiten.
“Auf dem Titelblatt steht, dass es sich um eine Sammlung von Handelsberichten handelt, die von französischen diplomatischen und konsularischen Vertretern im Ausland an das Außenministerium geschickt wurden”, sagt Katarzyna Fligier, eine vereidigte Übersetzerin des Französischen, die für die Zeitung Gazeta Wyborcza Fragmente des Dokuments übersetzt hat. Das Bulletin war in Zielona Góra bis dahin unbekannt. So kann man sehen, wie der Wein aus Zielona Góra von Außenstehenden bewertet wurde. In diesem Fall von französischen Diplomaten.
Das Buch beschreibt die verschiedenen Länder, mit denen Frankreich diplomatische Beziehungen unterhielt. Das Deutsche Reich, auf Französisch Empire d’Allemagne, ist dort an erster Stelle aufgeführt. Jede Provinz wurde von den Diplomaten detailliert beschrieben. Das Bulletin war eine umfassende Information für französische Händler. So konnten sie die wichtigsten Informationen über das Land finden, mit dem sie Geschäfte machten.
Das Konsularische Bulletin enthält unter dem Stichwort Vigne auch Informationen über das damalige Grünberg, das in Schlesien liegt. Die Diplomaten, die diese Beschreibung veröffentlicht haben, loben den Grünberger Wein. Sie schreiben auch über die Stadt im Zusammenhang mit dem Obstbau. Diese Beschreibung entspricht dem Slogan der Vorkriegsstadt, die sich rühmte, eine Stadt des Weins, der Gärten und der Früchte zu sein.
Der schlesische Wein wurde wie folgt beschrieben: “Das Klima in Schlesien ist in der Regel für den Weinbau nicht förderlich: Auch der Weinbau hat nur in bestimmten Orten mit günstiger Lage eine Bedeutung. Der wichtigste dieser Orte ist Grünberg (heute Zielona Góra; alle Anmerkungen in Klammern von der Redaktion). Es ist der nördlichste Punkt der Welt, an dem Reben angebaut werden. Es gibt auch mehrere andere, aber kleinere Orte in der Nähe von Freistadt (Kożuchów,), Saabor (Zabór), Rothenburg (Czerwińsk), Beuthen n der Oder (Bytom Odrzański), Sagan (Żagań), Leubus (Lubiąż), Wirschkorvitz (Wierzchowice), Medzibor (Międzybórz) und Olschowa (Olszowa) bei Groß-Strehlitz (Strzelce Opolskie) in Oberschlesien. In der Gegend um Grünberg gibt es etwa 4600 Weingärten, die sich über eine Gesamtfläche von 6000 Morgas (1500 Hektar) erstrecken und aus denen in guten Jahren etwa 40000 Hektoliter Wein erzeugt werden. Dank der in den letzten Jahren unternommenen Anstrengungen zur Verbesserung des Herstellungsverfahrens kann dieser Wein mit den besten Sorten aus Süddeutschland verglichen werden. Es wird sogar in weit entfernte Länder verschickt. Außerdem werden jedes Jahr etwa 3600 Cetnar (50 Kilo) Trauben verschifft.
“Was die zum Verkauf angebotenen Weintrauben betrifft, so muss es sich um einen Fehler im Bulletin handeln (ein Cetnar = 50 Kilo). Natürlich wurden viel mehr als 50 Kilogramm verschickt”, sagt Tomasz Kowalski, Mitarbeiter des Muzeum Ziemi Lubuskiej (Museum des Lebuser Landes). “Einer der wichtigsten Verkäufer war damals Eduard Seidel, der dank der Einnahmen aus dem Versandhandel mit Weintrauben eine Wein- und Obstverarbeitungsfabrik an der Kreuzung der heutigen Drzewna- und Sowińskiego-Straße bauen konnte. Heute beherbergt sein Wohnhaus ein psychologisch-pädagogisches Beratungszentrum, das früher ein Internat war. Frische Weintrauben wurden in Holzkisten verpackt und mit Pferdefuhrwerken sogar bis nach Berlin transportiert. Sie waren sehr beliebt. Damals war die Weintraubendiät in Mode”, ergänzt Kowalski.
In einem anderen Zusammenhang wird Grünberg im Bulletin auch als eine der wichtigsten Städte Schlesiens genannt, die reich an Obst ist.
Eine der ersten Personen, die das Bulletin im Museum des Lebuser Landes bewunderten, war Frédéric Billet, der französische Botschafter in Polen, der vor einem Monat auf Einladung des Marschallamtes Zielona Góra besuchte und sich im Lebuser Museum Über die Geschichte des Weinanbaus in Zielona Góra informierte. “Er wurde sehr lebhaft, als wir ihm Bilder dieses konsularischen Bulletins zeigten. Man konnte sehen, dass es ihn interessierte und faszinierte”, berichtet Tomasz Kowalski. Und Kowalski betont, dass die Franzosen schon damals zu den absoluten Weltmarktführern in der Weinproduktion gehörten und wenn die französische Diplomatie im 19. Jahrhundert der Meinung gewesen wäre, dass der Wein aus Grünberg nicht besonders tauge, hätten sie entsprechend darüber geschrieben. Dieses Bulletin war indes nicht für jedermann zugänglich, sondern nur für Händler aus Frankreich. Somit bestand also keine Notwendigkeit, ein Land oder eine Stadt über alle Maßen zu loben.”
Gremplers hervorragende Weine
In der Sammlung der digitalen Bibliothek Gallica befindet sich auch ein Reiseführer der Weltausstellung (Vorgängerin der EXPO) von 1855 in Paris. Einer der von Preußen angemeldeten Weine war ein Schaumwein aus der alten Grempler-Kellerei. Der drei Jahre alte Wein wurde mit einer Medaille ausgezeichnet, was als einer der wichtigsten internationalen Erfolge der Grünberger Winzer gilt. Gremplers Schaumweine gewannen auch Medaillen bei den Weltausstellungen in London und Wien.
Im Reiseführer steht: “Nicht nur die Gebiete am Rhein versorgen das Königreich Preußen mit Wein, sondern auch die Provinz Schlesien mit ihren edlen Weinen, deren Kollektion die Herren Förster und Grempler geschickt haben.”
Historische Weinkarte im Internet
In jüngster Zeit sind dank der Digitalisierung von Sammlungen immer mehr Dokumente mit Bezug zu Grünberg und der Region “herausgekommen”. Vor einigen Tagen veröffentlichte Polona.pl, eine polnische digitale Bibliothek (die zur Polnischen Nationalbibliothek gehört), auf Facebook eine Weinkarte von Europa von Wilhelm Hamm aus dem Jahr 1869. Es muss sich schon seit Jahren in der Sammlung der Nationalbibliothek befinden, war aber in Zielona Góra unbekannt.
Zu den gekennzeichneten Weinregionen gehören neben Grünberg auch Züllichau (Sulechów), Kressen bzw. Crossen (Krosno Odrzańskie), Beuthen (Bytom Odrzański), Guben (Gubin), Bomst (Babimost) und Carolath (Siedlisko).
“Was die Karte zeigt, ist nicht überraschend, aber ich habe von ihr nicht gewusst”, sagt Przemysław Karwowski, ein Experte für den Weinbau in Grünberg und Zielona Góra. Das ist eine sehr interessante Entdeckung, denn die Karte zeigt die Region um Grünberg im Kontext des europäischen Weinbaus.
Text: Szymon Płóciennik, Gazeta Wyborcza
Übersetzung: Wolfgang Scheuern
Redaktion: Agnieszka Bormann