Der Rokoko-Wahnsinn in Wrocław (Breslau)

Die Ausstellung zum 75. Jubiläum des Nationalmuseums in Wrocław präsentiert mit rd. 500 Ausstellungsobjekten das Rokoko in Schlesien

Der Ausstellungsort ist der Vier-Kuppel-Pavillon an der Jahrhunderthalle.

Im Vier-Kuppel-Pavillon, der Abteilung des Breslauer Nationalmuseums, wurde am 14. Juli 2023 eine besondere Ausstellung eröffnet. Rund 500 Ausstellungsstücke, u. a. Bilder, Statuen, Grafiken, Möbel, Porzellan, Kleidung, Fotographie und künstlerische Installationen beleuchten das Thema schlesisches Rokoko früher und heute.

Foto: Arkadiusz Podstawka, Anna Kowalów. Quelle: FB Muzeum Narodowe we Wroclawiu.

Das Rokoko wird oft als Endphase des Barocks angesehen, in der Wirklichkeit stand es in Opposition zu diesem. Es wandte sich gegen den pompösen Charakter und Monnumentalismus des Barocks und stellte Intimität und Sinnlichkeit in den Vordergrund. Der Stil zeichnete sich durch leichte und dekorative Formen, freie Komposition, Asymmetrie und fließende Linien sowie exotische Motive (z.B. chinesische) aus. Das Rokoko hat sich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelt. Es war die Zeit krasser Gegensätze: einerseits der Zeit des Rationalismus und der Aufklärung, andererseits der Sehnsucht nach Natur, Ruhe, Intimität und Glück.

Der Rokoko-Stil entwickelte sich am stärksten in Frankreich, kam aber mit der Zeit nach Nord- und Süddeutschland und nach Preußen. Nach Schlesien kam er zusammen mit dem Hohenzollernhof – mit dem König Friedrich dem Großen, der 1741 Schlesien erobert hat. Der Anfang der preußischen Herrschaft bedeutete nicht nur die Neuorientierung in der Politik, sondern auch in allen anderen Bereichen des Lebens. Die bisher sichtbaren Prager- und Wiener Einflüsse aus dem Hof der Habsburger verklungen. Es begann eine neue Epoche – mit dem neuen Herrscher kamen neue Künstler und Architekten in die Region, die auf Veranlassung des Königs völlig neue Realisierungen fertigten. Und der Rokoko-Stil hatte einen besonders fruchtbaren Boden in Schlesien gefunden.

In der Ausstellung Der Rokoko-Wahnsinn. Die Faszination für das Rokoko in Schlesien vom 18. bis zum 21. Jahrhundert kann man u.a. Sachen aus dem ehemaligen Königlichen Schloss von Breslau sehen: einen prächtigen Kronleuchter, Möbel, Spiegel und Bilder, die glücklicherweise als Einzelstücke den Zweiten Weltkrieg überstanden haben. Zahlreiche Keramik- und Glasobjekte, sowie originale Kleidungsstücke verzieren die Ausstellung und erlauben uns, den Blick in das höfische Leben der damaligen Zeit zu werfen.

Einen besonderen Eindruck machen die Bilder (u.a. von Felix Anton Scheffler), Statuen und Kerzenständer aus Grüssau (Krzeszów).

Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass das Rokoko in Schlesien, diese oft unterschätzte und übersehene Erscheinung in der Kunst der Region, präsentiert wird. Es ist auch der Versuch, die neuen stilistischen Richtungen zu schildern, die im Schlesien der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen und die neu im 19. und im 20. Jahrhundert (Neorokoko) aufblühten. Die Ausstellung versucht auch die Frage zu beantworten, ob diese Stilrichtung auch heutige Künstler inspiriert. Deshalb sind neben den historischen Gegenständen auch neue Kunstwerke und Installationen zu sehen, die heutzutage dank den Rokoko-Inspirationen entstanden sind.

Wegen der heutigen Konnotationen entschied man sich, diese Ausstellung im Vier-Kuppel-Pavillon zu präsentieren, wo die zeitgenössische Kunst vorgestellt wird. Siebzehn Kuratoren waren an der Vorbereitung der Ausstellung tätig – es ging ja schließlich darum, die Gegenstände aus verschiedenen Museen, Kirchen und anderen Einrichtungen an einem Ort zu zeigen.

„Ich bin sehr stolz, dass es gelungen ist“ – sagte der Direktor Dr. Oszczanowski. „Wir wissen, dass es nicht einfach ist, so viele Autoren zu versammeln und eine gemeinsame Konzeption für die Ausstellung zu erarbeiten“. Der Anlass war aber besonders: das 75. Jubiläum des Nationalmuseums in Wrocław. Die polnische Geschichte des Museums begann genau am 13. Juli 1947, als die ersten Zuschauer die Schwellen des ehemaligen Gebäudes der Schlesischen Regierung überschritten haben. Heutzutage hat das Nationalmuseum vier Abteilungen.

Die Ausstellung „Der Rokoko-Wahnsinn“ wird bis zum 14.01.2024 im Vier-Kuppel-Pavillon an der Jahrhunderthalle präsentiert. Prädikat: unbedingt hingehen!

Weitere Informationen zur Ausstellung auf Polnisch und auf Englisch.

Text und Bilder (wenn nicht anders angegeben): Małgorzata Urlich-Kornacka