Möbel von Gerhart Hauptmann zurück in Schlesien

Das Gerhart-Hauptmann-Haus in Jagniątków (Agnetendorf) erwarb originale Möbel und Alltagsgegenstände der Familie Hauptmann 

In der Ausstellung “Gerhart Hauptmann: Der Alltag” werden sie jetzt dem Publikum präsentiert.

Am 6. Juni 1946 ist der Dichter, Dramaturg und Literaturnobelpreisträger in seinem Haus Wiesenstein in Agnetendorf (heute Jagniątków, ein Stadtteil von Jelenia Góra) gestorben. Erst Wochen später durften seine sterblichen Überreste, zusammen mit Familienangehörigen, Bediensteten und dem Inventar des Hauses, in einem Sonderzug  nach Deutschland abtransportiert werden.

Nach 76 Jahren ist es im Februar 2022 dem in der Villa Wiesenstein untergebrachten Städtischen Museum Gerhart-Hauptmann-Haus gelungen, die Möbel aus der Villa käuflich zu erwerben. Sie wurden restauriert und sind jetzt in einer neuen Ausstellung des Hauses “Gerhart Hauptmann – der Alltag” der  zu sehen.

Es ist das erste Mal seit 1946, dass die Ausstattungselemente des Hauses an den ursprünglichen Ort zurückgekehrt sind. Die Familie Hauptmann (Gerhart, Margarete und der Sohn Benvenuto) lebte hier von 1901 bis 1946. Im Museum gab es zwar Gegenstände, die als Dauerleihgaben anderer Museen zu sehen waren, durch den neuen Erwerb wurde aber die Ausstellung wesentlich bereichert. Dank dem Ankauf wurde in der ersten Etage der Villa eine neue Dauerausstellung “Gerhart Hauptmann – der Alltag” eröffnet, auf der sich die originalen Möbel, Glas, Porzellan, Bücher und Haushaltsgegenstände des Schriftstellers und seiner zweiten Frau – Margarete Hauptmann (geb. Marschalk) befinden.

Neue Dauerausstellung “Gerhart Hauptmann – der Alltag”.

Mit dem Sonderzug nach Deutschland, mit dem Sonderbus zurück nach Schlesien

Die Möbel und Alltagsgegenstände der Familie Hauptmann befanden sich ursprünglich im sogenannten Sonderzug, der am 19. Juli 1946 mit den sterblichen Überresten von Gerhart Hauptmann nach Deutschland abfuhr. Der Wunsch von Margarete Hauptmann war, den am 6. Juni 1946 verstorbenen Dichter aus Polen nach Deutschland mitzunehmen und ihn auf der Insel Hiddensee beizusetzen, wo die Familie in den 1930er Jahren ein Sommerhaus kaufte. Für das ganze Inventar aus der Villa Wiesenstein – u. a. Möbel und eine Bibliothek, die ca. 10. Tausend Bänder zählte, wurde damals ein spezieller Transport – der Sonderzug – organisiert. Mit dem “alten Rübezahl” – wie einige Bewohner den Dichter Gerhart Hauptmann genannt haben – verließen auch andere Familien Agentendorf. Für Viele endete einfach mit dem Tod des Dichters eine Epoche. Diese tragischen Momente wurden in dem Buch “Bin ich noch in meinem Haus? Die letzten Tage Gerhart Hauptmanns” von Gerhart Pohl beschrieben.

Es ist gelungen, die originalen Sachen aus der Villa Wiesenstein zu kaufen.

Die Enkelin von Gerhart Hauptmann, Anja Hauptmann, entschied sich, die Möbel und ein anderes Inventar aus der Villa zu veräußern. Sie befanden sich in dem Haus in Eckernförde an der dänisch-deutschen Grenze. Die Sammlung sollte nicht aufgeteilt werden und möglichst an ein Museum verkauft werden. Über ihren Sohn Emanuel Hauptmann wurde ein Angebot an alle drei Gerhart-Hauptmann-Museen: in Hiddensee, Erkner und Jagniątków (Agnetendorf) gemacht.

Es ist gelungen, die originalen Sachen aus der Villa Wiesenstein zu kaufen.

Der Wunsch von Anja Hauptmann war aber, dass die Möbel, wenn es möglich ist, am liebsten an den ursprünglichen Ort – also nach Wiesenstein – zurückkehren. In die Gespräche mit dem Urenkel engagierte sich der ehemalige Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Wrocław (Breslau) Hans Jörg Neumann. So einigte man sich darauf, dass die Möbel an das Museum in Polen verkauft werden. Weil das Gerhart-Hauptmann-Haus über solche Mittel (11.000 Euro) nicht verfügte, verpflichtete sich der Stadtpräsident von Jelenia Góra (Hirschberg), Jerzy Łuźniak, zu helfen und übergab zu diesem Zweck 50 Tausend Zloty. Die restlichen Mittel – auch für die Restaurierung der Möbel – besorgte das Museum selbst.

Es ist gelungen, die originalen Sachen aus der Villa Wiesenstein zu kaufen.

“Alles musste ganz schnell organisiert werden”, berichtet der ehemalige Direktor des Museums Janusz Skowroński. “Am Donnerstag ist der Krieg in der Ukraine ausgebrochen und am Sonntag sind wir nach Deutschland gefahren, um die Möbel abzuholen. Die Stadt Jelenia Góra hat uns geholfen, einen Transport zu organisieren. Wir nannten ihn “Sonderbus 2022” – erzählte Janusz Skowroński, der sich zusammen mit Dr. Łukasz Tekiela aus dem Regionalmuseum in Lubań Śląski (Lauban) auf den Weg machte.

Es ist gelungen, die originalen Sachen aus der Villa Wiesenstein zu kaufen.

So kehrten unter anderem Schränke, Servierschrank (ein freistehender an drei Seiten verglaster Schrank zur Aufbewahrung von dekorativen Glaswaren, Porzellan und Geschirr), ein Sofa, Sessel, ein Tisch, Beistelltische, eine reiche Sammlung von Haushaltsgegenständen aus Kupfer und Messing und vieles mehr in die ehemalige Villa des Schriftstellers im Riesengebirge zurück. Außerdem gibt es eine Büchersammlung von Margarete Hauptmann mit einzigartigen Widmungen, die sie von den zahlreichen Gästen bekam, ihr Fotoporträt aus der Trauerzeit im Jahr 1946, ihr Kochbuch und ihre Gebetsbücher, sowie den originellen Kerzenständer, der am Sag des Dichters stand. Auch ein prächtiger Kristallkronleuchter wurde gekauft.

Der neue Erwerb bereicherte wesentlich die feste Ausstellung im Gerhart-Hauptmann-Haus in Agnetendorf.

Was ist besonders wertvoll? “Es macht Eindruck als Ganzes. Alle Gegenstände sind für uns wichtig, aber nur die ganze Sammlung gibt der Ausstellung einen besonderen Wert”, unterstreicht Skowroński. “Wir haben auch alles für die Besucher vorbereitet. Auf der Ausstellung sind QR-Codes, wo man Kommentar in vier Sprachen: auf Polnisch, Deutsch, Englisch und Tschechisch anhören kann. Das ist eines der wichtigsten Ereignisse der letzten Jahre”.

Die Paradieshalle in der Villa wurde 1921-22 von Johannes Maximilian Avenarius ausgemalt.

Besucher sind herzlich willkommen. Das Museum ist in der Sommersaison (1. Mai bis 30. September) von Montag bis Sonntag von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.

Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka

In der Galerie unten sehen Sie weitere Bilder der Paradieshalle im Haus Wiesenstein. Fotos: Agnieszka Bormann, Stand 2018