Schönwald/ Bojków – eine Sprachinsel in Oberschlesien

Ein kleines Dorf und seine interessante Andersartigkeit

Knapp 7 km vom Gleiwitzer Stadtzentrum entfernt liegt Schönwald/ Bojków, ein Ort mit außergewöhnlicher und spannender Geschichte.

Schönwald war schon immer anders, als die übrigen Dörfer in diesem Teil Oberschlesiens. Anders waren dort Bräuche, die bis zum Untergang der Gemeinschaft gepflegt wurden, anders waren die Trachten, anders war die Mundart, die im 13. Jahrhundert aus der fränkischen Urheimat mitgebracht wurde. Da sie sich annähernd 700 Jahre eigenständig, zum Teil umgeben von einem slawischsprachigen Umfeld entwickelte, fanden darin einige für die deutsche Sprache typische Prozesse nicht statt. Der Ort bildete daher eine Sprachinsel in zweierlei Hinsicht, denn in den umliegenden Dörfern dominierte der slawisch-oberschlesische Dialekt und in der nahen Stadt Gleiwitz sprach man Hochdeutsch. Vor allem im 19. und in der der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war zudem die lokale Stickkunst weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt. Auf dem Portal Youtube ist unter dem Titel „Hochzeit in Schönwald in Oberschlesien“ ein interessanter, zwölfminütiger Film von 1935 zu sehen, der die Gemeinschaft zehn Jahre vor ihrem Ende zeigt.

Interessanterweise trugen die meisten Einwohner des Ortes slawisch klingende Nachnamen. Der Umstand erklärte sich dadurch, dass sich in Schönwald im Laufe der Jahrhunderte nicht wenige Familien niederließen, die aus benachbarten Dörfern stammten. Die sprachlichen Verhältnisse beeinflusste dies jedoch nicht. Da fast die Hälfte der Schönwälder einen der zehn häufigsten Familiennamen trug, erhielten die einzelnen Sippen Spitznamen. Dadurch konnte man zum Beispiel bei Postzustellungen die vielen Cimanders, Botscheks, Wietschorkes und Putschers voneinander unterscheiden. Ehemalige Einwohner und ihre Nachkommen, die heute mehrheitlich in der Bundesrepublik leben, verwenden die Spitznamen bis heute.

Das Jahr 1945 brachte das Ende des alten Schönwald. Bei ihrem Einmarsch ermordeten dort sowjetische Soldaten etwa 200 nicht geflüchtete Einwohner und zerstörten jedes dritte Haus im Dorf. Nach der Übernahme des Gleiwitzer Landes durch die polnische Verwaltung begann die Besiedlung Schönwalds mit polnischer Bevölkerung, die vor allem aus den von der Sowjetunion annektierten östlichen Wojewodschaften stammte. 1945 und 1946 wurden fast alle noch verbliebenen Schönwälder vertrieben. Nur einige wenige Familien, in denen einer der Ehepartner seine slawisch-oberschlesische Herkunft nachweisen konnte, durften bleiben. An die Pflege der lokalen Tradition und Sprache war allerdings nicht mehr zu denken. Aus Schönwald wurde zuerst Szywałd und 1946 Bojków. 1975 wurde der Ort nach Gleiwitz eingemeindet und bildet seitdem dessen südlichsten Stadtteil.

Text: Dawid Smolorz
Bildquelle: Oberschlesisches Landesmuseum in Ratingen, Nachlass Reinhold Stangner

https://youtu.be/l3miFmU2-Jg