Am 8. Mai wäre Stanisław Bieniasz 70 Jahre alt geworden
Schriftsteller, Dramaturg und Publizist mit dem nüchternen Blick auf die Geschichte und Gegenwart seiner oberschlesischen Heimat.
Bieniasz kam fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zur Welt, der in der Region alles veränderte. Obwohl er die Zeiten des harmonischen deutsch-slawischen Miteinanders nicht mehr miterleben konnte, brachte er in seinen Werken oft zum Ausdruck, dass er sich nach einem Oberschlesien sehnte, in dem man sich als Deutscher, als Pole, als Oberschlesier oder als alles gleichzeitig fühlen durfte, ohne damit Schikanen oder Aussiedlung zu riskieren. Mit Sicherheit betrachtete Bieniasz die traditionelle und im Laufe der Jahrhunderte selbstverständlich gewordene Multiethnizität der Region als großen Wert. Zugleich konnte er aber nicht übersehen, dass sie im tragischen 20. Jahrhundert jenen Oberschlesiern, die sich in der deutschen Kultur genauso beheimatet fühlten wie in der slawischen, oft zum Verhängnis wurde.
Seine literarische Karriere begann der in Paulsdorf/Pawłów (heute Stadtteil von Hindenburg/Zabrze) geborene Autor als Journalist der lokalen Wochenzeitung „Głos Zabrza”. Als nach der Gründung der „Solidarność” im Sommer 1980 die Zensur gelockert wurde, prangerte Bieniasz in seinen Texten den Machtmissbrauch und die koloniale Politik Warschaus gegenüber Oberschlesien an. Die Nachricht von der Verhängung des Kriegsrechts in Polen erreichte ihn während eines Besuches in der Bundesrepublik Deutschland. Da für den politisch engagierten Autor eine Rückkehr höchstwahrscheinlich die Inhaftierung bedeutet hätte, entschloss er sich zusammen mit seiner Familie in Deutschland zu bleiben. Während des dreizehnjährigen Aufenthaltes am Rhein arbeitete er unter anderem mit dem Deutschlandfunk und dem Radio Freies Europa zusammen. Äußerst interessant ist die Geschichte des 1981 von Kazimierz Kutz verfilmten Dramas „Stary portfel“ (Alte Brieftasche) von Bieniasz, das von einem hochbetagten polnisch gesinnten Oberschlesier handelt, der sich wegen der katastrophalen finanziellen Situation seiner Familie für die Übersiedlung in die Bundesrepublik entscheidet. Im kommunistischen Polen konnte es aus nachvollziehbaren Gründen nicht gezeigt werden, sodass die Verfilmung des Dramas erst 1989 ihre TV-Premiere feierte. Der Inhalt war für die kommunistischen Machthaber offensichtlich so gefährlich, dass sie alle vorhandenen Kopien des Films zerstören ließen. Nur dank des großen Mutes einiger Mitarbeiter des regionalen Fernsehsenders Kattowitz konnte eine einzige Kopie gerettet werden. Überdies verdankt die oberschlesische Öffentlichkeit Bienasz und seinem Drama „Senator“ die Wiederentdeckung der weitgehend vergessenen Person Eduard Pants, eines führenden Mitglieds der deutschen Minderheit in Polnisch-Oberschlesien der Zwischenkriegszeit und entschlossenen Gegners der Nationalsozialisten.
Nach der Rückkehr nach Oberschlesien 1993 setzte Bieniasz nicht nur seine literarische und journalistische Arbeit fort, sondern er gründete auch am Gleiwitzer Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit die Regionale Deutsch-Polnische Gesellschaft, die sich schon kurz nach dem Fall des Kommunismus für die Verständigung zwischen den beiden Völkern einsetzte.
Stanisław Bieniasz verstarb unerwartet am 11. Februar 2001 im Alter von nur 51 Jahren.
Text: Dawid Smolorz
Foto: Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit