Mission Impossible in Niederschlesien?

Alte Bahnbrücke in Niederschlesien soll bei einer Hollywood-Produktion gesprengt werden

Stimmen des Widerstandes erheben sich aus unterschiedlichen Milieus. Es gibt aber auch Befürworter.

Die bereits im März 2020 veröffentlichte Nachricht über die mögliche Sprengung einer alten Bahnbrücke in Niederschlesien im Rahmen der Filmproduktion „Mission: Impossible” scheint sich zu bewahrheiten. Die Tageszeitung Gazeta Wyborcza berichtete damals über eine gemeinsame Begutachtung des über hundert Jahre alten Viadukts über dem Stausee in Pilchowice/ Mauer durch das polnische Militär und Vertreter der amerikanischen Filmindustrie um Christopher McQuarrim, den Regisseur der nächsten Folge von „Mission: Impossible”.

Die Berichterstattung veranlasste die Denkmalschutzbeauftragte der Wojewodschaft Niederschlesien (Wojewódzki Konserwator Zabytków) Barbara Nowak-Obelinda, eine Aufnahme des Viadukts in das Denkmalregister einzuleiten. Bei der Begehung des Viadukts wurde durch die Mitarbeiter der Denkmalschutzbehörde festgestellt, dass an der Unterkonstruktion des Bauwerkes bereits Stahlträger angebracht worden waren. Der Sprecher der Polnischen Bahn PKP PLK, der Eigentümerin des Objektes, bestätigte erst nach langem Schweigen, dass dies im Rahmen der Brückenüberprüfung im Hinblick auf eine mögliche Nutzung im Film erfolgt war.

Robert Golba, Chef der Firma „Alex Stern”, die die polnischen Szenen zu „Mission: Impossible” produzieren wird, hatte die Informationen zunächst negiert. Nun jedoch sprach er in einem Interview für das Portal Wirtualna Polska am 23. Juli 2020 von den tatsächlichen Plänen einer Sprengung des Viadukts während der Filmaufnahmen. Im Moment warte man lediglich auf grünes Licht vom polnischen Ministerium für Kultur und nationales Erbe. Das Ministerium solle auch die Filmproduktion über das staatliche Polnische Filminstitut mit einem Betrag in Höhe von 5,5 Mio Zloty (ca. 1,3 Mio Euro) bezuschussen.

Golba stellt dar, dass mit der geplanten Sprengung der Brücke auf den wachsenden Wunsch des Filmpublikums nach real produzierten Bildern ohne Computeranimationen reagiert werde. Die bestehende Brücke sei ohnehin wertlos und werde wegen ihres technischen Zustandes seit Jahren nicht mehr benutzt. Geplant sei, dass nach der Sprengung durch die Filmproduktion der ersatzweise Bau einer neuen, funktionsfähigen Brücke finanziert würde.

Zwar steht das Viadukt nicht im Denkmalregister der Wojewodschaft Niederschlesien, es ist aber auf einer Liste denkmalschutzwürdiger Objekte erfasst. Hier jedoch hat die Denkmalschutzbehörde keinen unmittelbaren Zugriff auf das Agieren der Eigentümer. Sollte der Antrag der niederschlesischen Denkmalschutzbehörde in Warschau schnell und positiv beschieden werden, gäbe es eine Chance auf die Rettung der Brücke. Allerdings ist für diesen Bescheid nun offenbar dasselbe Ministerium zuständig, dass bereits seine millionenschwere Unterstützung für die Filmproduktion in Aussicht gestellt hat.

Gegen die Sprengung des Viadukts zu Filmproduktionszwecken regt sich nun Widerstand unter Regionalforschern, Eisenbahnfreunden, Kulturmenschen und Denkmalschützern. Gleichzeitig ruft aber die Information über den geplanten Wiederaufbau des Viadukts nach den Filmaufnahmen und die anschließende Revitalisierung des Boberthalbahns zwischen Hirschberg und Löwenberg auch Befürworter auf den Plan. Insbesondere in der lokalen Bevölkerung wünscht man sich die Wiederbelebung der landschaftlich äußerst attraktiven Bahnlinie sehr.

Ein klares Nein zur Sprenung der Brücke kam in der vergangenen Woche aus Großbritannien. Der Vorsitzende des Internationalen Komitee zur Erhaltung des industriellen Erbes (The International Committee For The Conservation Of The Industrial Heritage, kurz: TICCIH) mit Sitz in Truro, Dr. Miles Oglethorpe, stellte in einem Brief an den polnischen Premierminister Mateusz Morawiecki den historischen Wert der Brücke heraus und wies darauf hin, dass gerade in Zeiten digitaler Technologien kein Bedarf zur dauerhaften Beschädigung jedweder Bauwerke bei Filmaufnahmen bestehe.

Das TICCIH ist eine unabhängige internationale NGO-Denkmalschutzorganisation, die sich seit ihrer Gründung im Jahre 1973 der Förderung, dem Erhalt, der Erforschung und der Dokumentation bedeutender Industriedenkmäler widmet. Seit 2000 ist das TICCIH offizielles Beratungsorgan der UNESCO bei der Auswahl von Weltkulturerbe-Stätten im Bereich des industriellen und technischen Erbes.

Dr. Oglethorpe verlieh in seinem Schreiben der Hoffnung Ausdruck, dass der polnische Staat die Brücke schützen werde. Es seien in der Welt nur einige wenige Brücken dieser spezifischen Bauform erhalten. Der gesamte Komplex mit Stausee und Wasserwerk sei ein wichtiges Denkmal früher Formen der Nutzung erneuerbarer Energien.

Das 1908-09 errichtete Viadukt an der Bobertalsperre ist 135 m lang und hängt ca. 40 m über dem Staubecken. Es steht, gemeinsam mit der Bobertalbahn, für einen wichtigen Abschnitt der Eisenbahngeschichte in Schlesien. Hier können Sie mehr zu seiner Entstehung und Geschichte lesen. Historische und aktuelle Fotos finden Sie hier.

Text (Stand 26.07.2020): Agnieszka Bormann
Quellen: Wirtualna Polska, Gazeta Wyborcza Wrocław

Aktualisierung am 28.07.2020:  Gestern (am 27.07.2020) hat der Marschall der Wojewodschaft Niederschlesien, Cezary Przybylski, bestätigt, dass die Bahnlinie Nr. 283 von Hirschberg/ Jelenia Góra nach Löwenberg/ Lwówek Śląski, auf der sich das Viadukt über dem Stausee in Mauer/ Pilchowice befindet, revitalisiert und wieder in Betrieb genommen wird. Im Moment befindet sich das Projekt im Stadium der Übernahme der Linie durch die Wojewodschaft Niederschlesien. Ihre Inbetriebnahme sei ein wichtiger Baustein des größeren Vorhabens, durch Revitalisierung alter Linien der verkehrstechnischen Abgehängtheit mancher Regionen entgegen zu wirken.

(Aktualisierung: Agnieszka Bormann, Quelle: Cezary Przybylski – Marszałek Województwa Dolnośląskiego)

Vollständige Stellungnahme des Marschallamtes der Wojewodschaft Niederschlesien zur Bobertalbahnlinie vom 28.07.2020