Ein einmaliges Ereignis nicht nur für Polen, sondern für ganz Europa
Ein Weltklasse-Instrument steigert die Qualität des ohnehin berühmten Veranstaltungsortes und bereichert das kulturelle Angebot der Stadt.
„Die Einweihung der Sinfonieorgel in dem renommierten Konzertsaal der Breslauer Philharmonie ist ein einmaliges Ereignis nicht nur für Polen, sondern auch für ganz Europa“ – sagte bei der Eröffnung der Vizedirektor des Nationalen Forums für Musik (NFM) und Leiter des Breslauer Barockorchesters Jarosław Thiel.
Auf dieses Moment hat man lange gewartet. Die ersten Pfeifen wurden im Juni 2019 mit einer historischen alten Straßenbahn zum Theaterplatz (ehem. Zwingerplatz) gebracht und von da in einer fröhlichen Parade in die Philharmonie gebracht. Die Einweihung wurde für März 2020 geplant, aber wegen der Corona-Pandemie auf Oktober verschoben. Während der Sommerferien wurde das Instrument getestet und es wurden Probekonzerte durchgeführt. Das offizielle Datum wurde für das Wochenende 24.-25. Oktober 2020 ausgewählt. Leider musste auch jetzt die Form und vor allem die Zahl der Zuschauer wesentlich begrenzt werden (der neuen Vorschriften nach dürfen nur 25% des Saales genutzt werden). Dafür aber wurde das Konzert online übertragen und am Wochenende für breites Publikum zugänglich gemacht.
Die neue Orgel wiegt 30 Tonnen, hat 80 Stimmen und 4.700 Pfeifen. Die größte Pfeife ist 12 Meter lang, die Kleinste 11 Millimeter. An der Orgel haben 45 Personen 30 Tausend Arbeitsstunden lang gearbeitet. Für die Ausführung war die Firma Orgelbau Klais aus Bonn verantwortlich. Der Chef der Firma, Philipp Klais, bereute, dass er persönlich nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte. Er bedankte sich aber online für die Möglichkeit, die Orgel für einen so schönen Raum bauen zu dürfen, dankte für gute Zusammenarbeit und tolle Atmosphäre. Auch der Direktor des NFM, Andrzej Kosendiak, begrüßte alle online. Das sei sein größter Traum gewesen, nachdem die Philharmonie eröffnet wurde. Die Orgel sei von Anfang an für den Saal hervorgesehen. Und nach fünf Jahren nach der Eröffnung des NFM ginge der Traum in Erfüllung – sagte er glücklich.
Zuerst fand die Präsentation der Orgel (oder eigentlich des Spieltisches, die Orgel ist hinter der Fassade versteckt) durch Tomasz Gluchowski statt, der sie betreut und auch für die weiteren Orgelkonzerte verantwortlich ist. Er erklärte den Gästen, wie die Orgel funktioniert. Und genauso wie bei der Eröffnung des NFM im September 2015, spielte er zur Inauguration Contrapunctus I von Bach aus der Kunst der Fuge BWV 1080. Bevor weitere Gäste – Professor Julian Gębalski und Karol Mossakowski, junger talentierter Preisträger vieler Orgelwettbewerbe – auftraten, wurde noch kurz über die Musiktraditionen der Stadt im 19. Jahrhundert erzählt.
Im Jahre 1815 entstand an der Universität Breslau „Das Königliche Akademische Institut für Kirchenmusik“, bei dem hervorragende Musiker und Kapellmeister tätig waren: Joseph Ignaz Schnabel, Friedrich Wilhelm Berner, Moritz Brosig oder der wohl bekannteste Adolf Friedrich Hesse. Auch der 14-jährige Felix Mendelsohn kam hierher mit seinem Vater und Bruder und nahm an dem Konzert von Friedrich Wilhelm Berner teil. Der junge Felix beobachtete den Meister genau und berichtete später in den Briefen, dass Berner nach jedem Spiel ein Glas Wein trank und nach dem Konzert sogar die ganze Flasche… Berner spielte auf der von Michael Engler im 18. Jh. gebauten berühmten Orgel in der Elisabethkirche, die das prachtvollste Musikinstrument im damaligen Schlesien waren. Leider brannte sie in den 1970er Jahren ab und wird jetzt wiederaufgebaut (SILESIA News berichtete). Mit dem Wiederaufbau beschäftigt sich auch die Firma Orgelbau Klais aus Bonn.
Auch über Chopin wurde erzählt. Der 20-jährige Frédéric Chopin gab 1830 auf die Bitte des Domkapellmeisters Joseph Ignaz Schnabel in Breslau ein Konzert. Sein Spiel hörte ein anderer begabter Breslauer Musiker, Adolf Friedrich Hesse, Orgelmeister in der Bernhardinerkirche und als „schlesischer Bach“ bezeichnet. Am 8. November 2020 wird Breslau das 190. Jubiläum des Konzerts feiern.
Text: Małgorzata Urlich-Kornacka