Vor 25 Jahren starb Ernest Pohl, der Torschützenkönig aller Zeiten der polnischen Ekstraklasa
Als sich seine Karriere beschleunigte, wurde sein Familienname per Verwaltungsbeschluss polonisiert, indem das „h“ entfernt wurde.
Wie Tausende Oberschlesier wurde auch er nicht nach seiner Meinung gefragt. Der spätere Star von Górnik Zabrze und der polnischen Fußballnationalmannschaft kam 1932 in der Siedlung Karl-Emanuel, Teil von Ruda/Ruda Śląska zur Welt. Der Industrieort war zum damaligen Zeitpunkt seit genau zehn Jahren polnisch, die Grenze zum Deutschen Reich verlief aber direkt hinter den letzten Arbeiterhäusern der Siedlung. Wie in fast ganz Oberschlesien waren die Gegend und ihre Menschen deutsch-slawisch geprägt.
Der Mann aus Ruda hält im polnischen Fußball mehrere Rekorde. Mit 186 Treffern ist er Torschützenkönig aller Zeiten der höchsten Spielklasse – der Ekstraklasa. Als einziger Spieler des Landes wurde er während seiner Karriere zehnmal polnischer Meister: zweimal mit dem Armeeklub Legia Warschau (1955, 1956), wo er seinen Wehrdienst ableistete, und achtmal mit Górnik Zabrze (1957, 1959, 1961, 1963–1967). Für die Fans des Vereins aus Hindenburg/Zabrze ist Pohl eine Legende. Nicht nur gehört er zu den besten Stürmern in der Geschichte von Górnik, was der Spruch „Bez Pohla nie ma gola“ (Ohne Pohl gibt’s kein Goal) wohl am besten illustriert. Seine Ausstrahlung und das Ansehen, das er unter den Kollegen genoss, hatten einen enormen Einfluss auf die Atmosphäre in der Mannschaft. Dass Górnik in den späten 1950er und in den 1960er Jahren derart große Erfolge feiern konnte, war auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Einer von ihnen hieß aber „Pohl“ – das steht außer Frage. Mit der Nationalmannschaft hatte er weniger Glück. Er gehörte zwar zu den Stützen der polnischen Elf und einige seiner Treffer sind legendenumwoben – etwa „die Bombe von Glasgow“, die 1960 – wie die Presse auf den Inseln schrieb – Schottland erschütterte. Doch die goldene Ära der polnischen Mannschaft kam erst in den 1970er Jahren, als er kein aktiver Sportler mehr war. Dazu hatte ihn Nationaltrainer Koncewicz wegen persönlicher Animositäten ab einem gewissen Zeitpunkt boykottiert. Nicht einmal das 50. Jubiläumsspiel dufte der Oberschlesier im weiß-roten Trikot absolvieren. In 46 offiziellen Partien der polnischen Nationalmannschaft erzielte er 35 Tore.
1990 bekam Pohl das „h“ in seinem Familiennamen offiziell zurück. Dies geschah allerdings nicht im Zusammenhang mit der politischen Wende in Polen, sondern nach dem Umzug in die Bundesrepublik, wo seine Töchter lebten. Der Torjäger aus Oberschlesien starb fünf Jahre später im baden-württembergischen Hausach. 2005 erhielt das Stadion in Hindenburg, in dem Górnik seine Heimspiele absolviert, den Namen „Ernest Pohl“. Die Fußballtradition bleibt in der Familie lebendig: Pohls Enkel – Adrian Karkoschka – spielte 15-mal für die deutsche U17-Nationalmannschaft.
Text: Dawid Smolorz