Neuerscheinung: Kajś. Opowieść o Górnym Śląsku (Irgendwo. Eine Erzählung über Oberschlesien) von Zbigniew Rokita

Oberschlesien als Familiengeschichte erzählt

Das turbulente 20. Jahrhundert ist hier der große Rahmen für die Geschichte einer deutsch-polnischen Familie.

Im polnischen Verlag „Czarne“, der auf das Thema der traditionellen Multikulturalität Mitteleuropas stark ausgerichtet ist, erschien neulich ein Buch über die Region, das schon mit seinem frappierenden Titel auf sich aufmerksam macht.

„Kajś“ ist ein Wort aus dem slawisch-oberschlesischen Dialekt. Jeder, der in der Region aufgewachsen ist, kennt es und weiß, dass es „irgendwo“ bzw. „irgendwohin“ bedeutet. Für Leser von außerhalb Oberschlesiens wird der Begriff aber nicht verständlich sein. In „Kajś“ schildert der Autor vor dem Hintergrund seiner Familiengeschichte die Geschichte der Region im turbulenten 20. Jahrhundert. Und da in Zbigniew Rokitas Familie die deutsche und die polnische Gesinnung nicht selten aufeinanderstießen und manchmal sogar in einem offenen Konflikt zueinander standen, ist die Erzählung von einer Idylle weit entfernt. Der Band stellt eine mit großer Leidenschaft verfasste Auseinandersetzung mit der spannenden Vergangenheit der Region dar. Wer traditionell erzählte Geschichte nicht mag, wird in „Kajś“ vielleicht das finden, was er gesucht hat. Denn Rokitas Buch ist nicht schematisch, auch glorifiziert er darin seine Protagonisten nicht, obwohl er seinen Vorfahren slawischer und deutscher Zunge, die in schwereren Zeiten schwierige Entscheidungen zu treffen hatten, eindeutig viel Respekt erweist. Wichtig ist auch, dass der Autor den Weg fand, mit „Kajś“ ein Buch zu schaffen, der sowohl für „Vollblut-Oberschlesier“ als auch für Menschen interessant sein kann, die mit der zwischen Oder und Weichsel gelegenen Region bisher nicht in Berührung kamen.

Zbigniew Rokita hat oberschlesische und ostgalizische Wurzeln. Wie er verrät, identifizierte er sich zunächst sehr stark mit der ostpolnischen Tradition seiner Familie. Oberschlesien betrachtete er dabei als eine Region einfacher Menschen, die so gut wie keine Geschichte hätte. Erst während des Studiums in Krakau entdeckte er den Oberschlesier in sich. Der Autor (Jahrgang 1989) ist Journalist, er arbeitet mit den renommierten polnischen Zeitungen „Tygodnik Powszechny” und „Dziennik Gazeta Prawna” zusammen. Er spezialisiert sich auf mittel- und osteuropäische Thematik. Sein erstes Buch unter dem Titel „Królowie strzelców. Piłka w cieniu imperium” (Torschützenkönige. Der Fußball im Schatten des Imperiums) handelt von den Verknüpfungen zwischen Sport und Politik in Osteuropa.

Zbigniew Rokita: Kajś. Opowieść o Górnym Śląsku”, 320 Seiten, 39,90 PLN, erschienen 30.09.2020 im Wydawnictwo Czarne. 

ISBN-978-83-8191-077-4

Text: Dawid Smolorz