Religion: Beten und singen in der „Sprache des Herzens“

Lobpreiskonzert überzeugt mit modernem Repertoire

Die Oppelner Deutsche Minderheit organisiert Konzert mit jungen Menschen auf der Bühne.

Es war Oppelns Erzbischof Alfons Nossol, der als Erster Deutsch als „Sprache des Herzens“ bezeichnet hat. Die Oppelner Deutsche Minderheit will der mittlerweile gängigen Wendung jetzt erneut Ausdruck verleihen.

Die prachtvolle Himmelfahrts-Kirche im oberschlesischen Ottmuth (Otmęt): Zehn junge Musiker – sieben Sängerinnen, dazu Gitarre, Keyboard und Geige – machen den Altar zur Bühne und präsentieren hochwertig und in überraschend frischem Arrangement religiöses Repertoire, dessen Botschaft die Lobpreisung des Herren ist. „Wenn ich singe, vergesse ich alles um mich herum, dann gibt es nur mich und Gott“, beschreibt die 15-jährige Justyna Namysło aus dem unweit entfernten Zywodczütz (Żywocice) ihren Auftritt. Dass den Organisatoren der Unterhaltungswert wichtig ist, wird schnell klar. „Wir haben uns bewusst für Lieder entschieden, die modern und beswingt sind“, erklärt Zuzanna Herud von der Deutschen Sozialkulturellen Gesellschaft im Oppelner Schlesien (SKGD). 

Das Lobpreiskonzert organisierte die SKDG zum zweiten Mal.

Daneben wird aus der Bibel gelesen und das Vaterunser gesprochen. Mit dem neuen Format „Lobpreiskonzert“ will die SKGD ihre Mitglieder dazu einladen, in der Sprache des Herzens zu beten. Damit knüpft die Gesellschaft an eine alte Tradition und die erste deutschsprachige Messe in Polen an, die es nach dem Zweiten Weltkrieg gab.

Rückblick: Drei Tage war es her, dass die Berliner Mauer gefallen war, als am 12. November 1989 Oppelns Erzbischof Alfons Nossol die historische Friedensmesse in Kreisau zelebrierte, bei der Altkanzler Helmut Kohl und der damalige polnische Ministerpräsident Tadeusz Mozowiecki einander den Friedensgruß gaben. Nur fünf Monate zuvor hatte Nossol sich daran gemacht, die deutschen Messen nach Schlesien und damit symbolisch die Freiheit nach Polen zurück zu holen. Den Erzählungen Nossols zufolge, habe Papst Johannes Paul II. bei einem gemeinsamen Essen zu ihm gesagt: „Es ist Deine Aufgabe, dass am Sankt Annaberg und Umgebung deutsche Gottesdienste stattfinden können.“ Und so war es geschehen: Auf dem Annaberg waren am 4. Juni 1989 Hunderte Deutsche – ihre Existenz jahrelang von Volkspolen verleugnet – in der dortigen Basilika zusammengekommen, um unter Tränen zum ersten Mal seit Kriegsende 1945 in der „Sprache des Herzens“ zu singen und zu beten. Die auf Alfons Nossol zurückgehende Wendung ist mittlerweile mit beeindruckender Selbstverständlichkeit in den Sprachgebrauch der Deutschen in Polen eingegangen.

Das Lobpreiskonzert organisierte die SKDG zum zweiten Mal.

In Ottmuth, Stadtteil des rund 16.000 Einwohner starken Krappitz, lebt nach Angaben der SKGD eine starke deutsche Minderheit. Gut 80 Menschen haben das deutschsprachige Konzert am 21. November besucht und damit bei Weitem nicht annähernd so viele wie 1989 den Annaberg. Natürlich nicht, die Zeiten waren andere. Den Geist jener Tage wiederzubeleben wäre wenig mehr als müßig. Das neue Konzept aber ist stimmig und hat – wenngleich „Lobpreiskonzert“ für das ein oder andere Ohr etwas eingestaubt klingen mag – durchaus Potenzial in den kommenden Jahren weiter Fahrt aufzunehmen. Das setzt allerdings eine motivierte und interessierte Jugend voraus. Das nämlich war der einzige Wehrmutstropfen an diesem Novembersonntag in Ottmuth: Junge Gesichter sah man nur auf der Bühne.

Justyna Namysło.

Text & Bilder: Marie Baumgarten