Herzogtümer Auschwitz und Zator

Schlesiens verlorene Ostgebiete

Schlesien – gemeint als Ober- und Niederschlesien – ist ein Land mit klar definierten Grenzen.

Schlesien – gemeint als Ober- und Niederschlesien – ist ein Land mit klar definierten Grenzen. Allerdings gibt es Gegenden, die heute als schlesisch gelten, ursprünglich aber Teile anderer Landstriche bildeten, um nur die einst böhmische Grafschaft Glatz/ Kłodzko zu nennen. Hingegen gibt es auch Territorien – wie die Herzogtümer Auschwitz/ Oświęcim und Zator/ Zator, die in der Vergangenheit als Schlesien betrachtet wurden, heute aber mit der Region nicht mehr in Verbindung gebracht werden. Offiziell wurden beide Gebiete 1564 an das Königreich Polen angeschlossen. 

Karte des Auschwitzer und Zatorer Landes von 1592. Quelle: wikimedia commons, Jüdisches Museum Auschwitz.

Zwar erkannten die Herrscher von Auschwitz und Zator im 14. Jahrhundert wie die meisten ihrer piastischen Verwandten in Schlesien die Lehnshoheit Böhmens an, doch bereits ein Jahrhundert später gerieten sie zunächst in indirekte Abhängigkeit von Polen. Beide Herzogtümer wurden an die polnischen Könige verkauft und später dem von Krakau/Kraków aus regierten Land direkt einverleibt. Wohlgemerkt war die Hauptstadt des Königreichs nur ca. 50 bis 60 Kilometer von Auschwitz und Zator entfernt.

Nach dem Anschluss an Polen lag das Gebiet bis zur Teilung der Adelsrepublik in der Wojewodschaft Krakau, hieß aber interessanterweise offiziell „Kreis Schlesien“. Heute gelten das Zatorer und Auschwitzer Land als Teile der historischen Region Kleinpolen, deren Hauptstadt Krakau ist. Die schlesische bzw. die deutsche Identität sind dort nicht vorhanden, wodurch die Bewohner dieses Landstrichs von Oberschlesiern seit Jahrhunderten nicht mehr als Landsleute betrachtet werden. Einige Relikte aus der Zeit der deutschen Besiedlung und der Zugehörigkeit zu Schlesien lassen sich im Raum Auschwitz-Zator dennoch feststellen.

Beispielsweise sind die goldenen Adler der oberschlesischen Piasten in den Stadtwappen von Auschwitz und von Saybusch/ Żywiec zu sehen. Auf deutsche Herkunft ihrer früheren Einwohner weisen – auch wenn manchmal in stark veränderter Form – die Namen mehrerer Ortschaften hin, zum Beispiel Barwałd, Nidek, Inwałd und Rychtal. Anders als sich ein polnischer Muttersprachler im ersten Moment denken kann, leitet sich der Name des bei Saybusch gelegenen Łodygowice nicht von dem Wort „łodyga“ (Stängel) ab, sondern von einem gewissen Lodwig. Ursprünglich hieß der Ort Lodwigsdorf. Die Stadt Andrychów verdankt wiederum ihren Namen dem Lokator Heinrich. Wohl auf eine von deutschen Siedlern aus ihrer Urheimat mitgebrachte Tradition knüpft der in Saybusch bis heute gepflegte Jukace-Umzug an. In vielen Elementen erinnert dieser Brauch an das unter den Deutschen Siebenbürgens bekannte Urzelnlaufen oder an die Tradition des in einigen Gegenden der Schweiz gefeierten Alten Silvesters.

Umzug der Jukace in Saybusch. Quelle: Facebook-Account, Jukace z Zabłocia.

Von mehreren Ortschaften, die im Mittelalter im äußersten Osten des damaligen Schlesien durch Siedler aus dem deutschsprachigen Raum gegründet wurden, behielt nur Wilmesau/ Wilamowice bis zum 20. Jahrhundert seinen ursprünglichen ethnischen Charakter. Die dortige Sprache, die westdeutschen Dialekten nahesteht, wird trotz der gnadenlosen Schikanen nach 1945 immer noch von einer geringen Gruppe als Muttersprache gesprochen. Auch besitzt ein Teil der dortigen Einwohner die eigenständige Wilmesauer Identität. Diese distanziert sich zwar vom Deutschtum, sieht sich aber gleichzeitig auch als eine separate lokale Gemeinschaft germanischer Herkunft.

Text: Dawid Smolorz