Polonaise für den Grafen Fredro auf dem Breslauer Ring

Eine Woche vor der Abiturprüfung tanzten die Abiturienten aller Breslauer Oberschulen den bekannten polnischen Tanz

Aleksander Fredro steht sinnbildlich für die Verbindung Lwiw (Lemberg) – Wrocław.

Schon zum 21. Mal trafen sich auf dem Breslauer Ring Schülerinnen und Schüler des letzten Jahrgangs aller Breslauer Oberschulen (und ihre Lehrerinnen und Lehrer), um gemeinsam den typischen polnischen Tanz – die Polonaise – zu tanzen. Sie versammeln sich am Denkmal des Grafen Aleksander Fredro, der als einer der bedeutendsten Komödienautoren Polens gilt. Zwei von seinen Werken: „Śluby panieńskie“ („Mädchenschwüre“) und „Zemsta“ („Die Rache“) sind in den polnischen Schulen Pflichtlektüren.

Die Polonaise ist ein Tanz, der jeden Abiturientenball in Polen eröffnet. Am Beginn tanzen die Paare im moderaten Tempo nach bestimmten Figuren die feierliche Polonaise, erst danach folgt lockere Tanzmusik. Normalerweise finden die Bälle hundert Tage vor dem Abitur statt (das heißt, alle können daran teilnehmen, egal, wie das spätere Ergebnis der Abiturprüfungen sein wird). Durch Pandemie wurden aber fast alle Veranstaltungen gestrichen. Das Schlimmste war, man hat auch keine Polonaise auf dem Breslauer Ring für den Grafen Fredro organisiert. Und der Tradition nach, sollen alle, die an diesem Tag Polonaise für Fredro tanzen, „singend“ Abitur bestehen.

Diese Aktion wurde vor vielen Jahren von der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ initiiert und hat einen großen Beifall gefunden. Viele glauben daran, dass der Tanz ihnen Glück bringt und wollen ohne ihn das Abitur nicht riskieren. Deshalb wurde der Tanz jetzt nachgeholt. Am Montag, den 25. April 2022 (eine Woche vor den Abiturprüfungen), trafen sich um 12 Uhr alle Schülerinnen und Schüler der letzten Klassen am Fredro-Denkmal.

Der Dichter hält eine Papierrolle und eine Gänsefeder in der Hand. Leider erfreut sich die Feder einer großen Popularität bei den Schülern und muss regelmäßig ergänzt werden.

Das Denkmal gehört zu den Lemberger Wahrzeichen in Wrocław. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden ca. zehn Prozent der Bevölkerung aus Lemberg und Umgebung ihre neue Heimat im polnisch gewordenen Breslau. Und mit den Menschen kamen auch wertvolle und besonders wichtige für Polen Andenken: das Rundgemälde Panorama von Racławice, die Sammlungen der Nationalstiftung Ossolineum und das Denkmal für Aleksander Graf Fredro.

Der Akademische Platz in Lemberg mit dem Denkmal für Alexander Graf Fredro (Postkarte aus der Sammlung von M. Urlich-Kornacka)

Das Denkmal entstand 1897 in Lemberg. Das Projekt stammte von dem Lemberger Professor der Technischen Universität – Leonard Marconi. Nach seiner Enthüllung stand das Denkmal fast 50 Jahre lang auf dem Akademischen Platz in Lemberg. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es zuerst nach Warschau (nach Wilanów) gebracht und 1956, zum Fredros 80. Todestag, nach Wrocław verlegt. Seit dieser Zeit steht es am Rathaus, in der Nähe des Ortes, wo früher die Statue des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. stand. Heute ist die charakteristische Figur des Komödienschreibers, der eine Papierrolle und eine Gänsefeder in den Händen hält, vom Breslauer Marktplatz nicht mehr wegzudenken.

Das Denkmal von Aleksander Graf Fredro trägt zur Zeit Schärpen in den Farben der Stadt Wrocław und der ukrainischen Flagge.

Graf Aleksander Fredro (1793-1876) war zu Lebzeiten in der niederschlesischen Hauptstadt zu Besuch. Er war daran interessiert, ein Gut zu kaufen und nach Niederschlesien oder Großpolen zu ziehen, da sein einziger Sohn nach der Teilnahme am Ungarischen Frühling als Persona non grata in Galizien galt. Die Eltern des Aufständischen wollten sich daher an einem Ort niederlassen, an dem auch ihr Sohn Jan Aleksander Fredro leben konnte. Letztlich wurden diese Pläne nicht verwirklicht, denn der Sohn wurde amnestiert und durfte nach Lemberg zurückkehren.

Während des Aufenthalts in Breslau ging Fredro ins Stadttheater, wo er ein Stück von Karl von Holtei „Sie schreibt an sich selbst“ sah. In dem Stück erkannte er ausführliche Zitate aus seinem Werk „Mädchenschwüre“. Besonders empört war er aber nicht, denn er wusste, dass sein Stück schon früher in Paris kopiert wurde. Der Breslauer Dichter hat es nur aus dem Französischen übersetzt und an das deutsche Publikum angepasst. Noch überraschender ist, dass nach der Wiener Premiere von „Mädchenschwüre“ im Jahr 1878 war es Fredro, der beschuldigt wurde, das Stück von Holtei plagiiert zu haben…

Text & Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka