Schlesische Blaskapellen mit jungen Musikern

25 Kapellen haben am 12. Juni bei der Revue der Blasorchester der Deutschen Minderheit teilgenommen

So viele wie noch nie in der 30-jährigen Geschichte dieser besonderen Veranstaltung in Oberschlesien. 

25 Blaskapellen haben am 12. Juni 2022 bei der Revue der Blasorchester der Deutschen Minderheit teilgenommen. So viele wie noch nie in der 30-jährigen Geschichte dieser besonderen Veranstaltung in Oberschlesien. Aber viel bemerkenswerter: mehrheitlich junge Musiker stehen auf der Bühne. Und das macht eines deutlich: Wer bisher dachte, Blasmusik sei nur was für Rentner, der irrt gewaltig.

Rudnau in Oberschlesien, auf halber Strecke zwischen Gleiwitz und dem St. Annaberg: ein beschauliches Örtchen, circa 1000 Menschen leben hier. Und rund 20 davon sind Mitglieder der Blaskapelle Sami Swoi. Auf Deutsch in etwa: Unter Freunden. Der Name ist Programm. „Wir sind Amateure und wir machen das nicht für Geld. Das ist unsere Leidenschaft“, sagt Musiker Michał Gorki. „Jeder fiebert schon immer der Probe am Freitag entgegen, um einander zu treffen, Musik zu machen. Und um nach einer Woche Arbeit für gute Laune am Wochenende zu sorgen.“ Und gute Laune ist an diesem Wochenende besonders wichtig, denn der große Blasorchester-Wettbewerb im nahe gelegenen Lichinia steht vor der Tür. Ein letztes Mal proben, bevor es gleich losgeht.

Sami swoi.

Ortswechsel: In Lichinia, einem kleinen Dorf mit rund 400 Einwohnern, kurz hinter dem Annaberg, haben sich schon die ersten Besucher eingefunden. 25 Kapellen nehmen heute bei der Revue der Blasorchester der Deutschen Minderheit teil. So viele wie noch nie in der 30-jährigen Geschichte der Revue, an deren Ende die besten ausgezeichnet werden. „Wir freuen uns über jede einzelne Gruppe, die sich anmeldet. Und in diesem Jahr sind sogar zwei neue dabei, das ist toll. Das zeigt, dass die Konzerte gut ankommen“, sagt Mitorganisatorin Edyta Gola. 25 Blaskapellen – das allein ist ein beeindruckendes Ergebnis. Viel bemerkenswerter aber: mehrheitlich junge Musiker stehen auf der Bühne. Und das macht eines deutlich: Blasmusik ist bei Weitem kein Rentner-Genre. Das macht auch Krzysztof Kacała klar, Dirigent des Blasorchesters Radlau. „In unserm Blasorchester spielen nur zwei ältere Leute. Sonst sind nur junge dabei, zwischen 13 und 25 Jahren“, sagt der Mittzwanziger.

Sami swoi.

Mittlerweile sind auch die Rudnauer eingetroffen und schon im Konzert-Outfit gekleidet: einer alten schlesischen Tracht in königsbaluem Grundton mit farbigem Muster, auf die sind alle ganz besonders stolz. Kapellmeister Marcin Wlach ist mit seinen 78 Jahren der Älteste hier und zugleich der einzige Senior – auch wenn man ihm die Jahre nicht anmerkt. Seitdem er vor gut 20 Jahren in Rente ging, ist er bei Sami Swoi aktiv. Das Dirigieren hält ihn jung. „Freunde, die mich beobachten sagen: Marcin, du dirigierst mit den Augen, der Nase, dem Mund, der Hand. Mit dem ganzen Körper. Das hält gesund und kommt auch bei den Musikern gut an.“

Kapellmeister Marcin Wlach ist 78 und damit der Älteste in der Gruppe, zugleich der einzige Senior.

Und der Umstand, dass seine Truppe im Schnitt gut 50 Jahre jünger ist als er, tut das Übrige. Michał Gorki ist 33 und mit Sami Swoi aufgewachsen, er war 8, als er hier angefangen hat. Joanna Fitzke ist 22 und kam zufällig in die Gruppe. Oft ist es der Wunsch nach Gemeinschaft und Zusammenhalt, der junge Menschen in die Blaskapellen zieht – denn auf beides wird hier besonderen Wert gelegt. „Auf einem Fest gab es einen Luftballonaufblas-Wettbewerb. Ich bin gegen unseren Dirigenten angetreten. Er sagte mir, ich hätte sehr gute Lungen und dass ich mich für ein Blasinstrument sehr gut eignen würde. Also habe ich es ausprobiert“, erinnert sich Joanna Fotzke an ihre Anfänge, da war sie 14. „Wir sind eine kleine Gruppe und ehrlich gesagt wie eine Familie. Wir halten auch außerhalb der Proben täglich Kontakt. Wir rufen uns an, senden uns Fotos zu, treffen uns ganz privat. Das ist die größte Freude“, sagt Michał Gorki und Joanna Fitzke schiebt nach: „Als Musiker fahren wir natürlich nirgendwo hin ohne Instrumente. Die Musik begleitet uns immer.“

Joanna Fitzke kam in die Gruppe, weil sie so gute Lungen habe, wie man ihr sagte.

Und gerade nach zwei Jahren Corona-Zwangspause ist die Sehnsucht nach Gemeinschaft besonders groß. Aus diesem Grund ist heute auch nicht der Sieg das Wichtigste, sondern: zusammen sein und Spaß haben. Am Ende bleibt dann nur ein Wunsch: „Ich habe eine Tochter. Ich hoffe, dass vielleicht eines Tages der Funke überspringt und sie anfängt mit mir zusammen im Orchester zu spielen. Das ist mein Traum“, sagt Michał Gorki.

Michal Gorki ist dabei, seitdem er 8 Jahre alt ist. Heute ist er 33.

Am Ende durfte sich Sami Swoi aber doch über den dritten Platz beim Blasorchesterwettbewerb freuen.

Text & Bilder: Marie Baumgarten