Anlässlich des Europäischen Tages der Sprachen organisierte das Generalkonsulat der BRD in Wrocław eine Überraschung für Schüler
Deutsch lernen und die Musikgeschichte der Stadt kennenlernen.
Der Europäische Tag der Sprachen (EDL) wird am 26. September gefeiert. Anlässlich des diesjährigen Sprachentages wurde von dem Generalkonsulat der BRD in Wrocław eine besondere Überraschung für Schüler organisiert: ein Spaziergang, auf dem man nicht nur Deutsch lernen, sondern auch Musik hören und musikgeschichtliche Anekdoten der Stadt kennenlernen konnte.
Angefangen wurde bei der Magdalenen-Kirche, die seit dem Mittelalter bis Mai 1945 eine berühmte Glocke besaß. Sie sollte – der Legende nach – von dem Glockengießer Michael Wilde gegossen werden. Als aber alles zum Guss vorbereitet war, wollte der Meister sich mit einem Trunke stärken und ließ seinen Lehrling am Kessel alleine. Als der Meister lange nicht zurück war, wagte sich der Knabe, die Glocke selbständig zu gießen.
Der Bube steht am Kessel,
Schaut in die Glut hinein:
Das wogt und wallt und wirbelt
Und will entfesselt sein,
Und zischt ihm in die Ohren
Und zuckt ihm durch den Sinn
Und zieht in allen Fingern
Ihn nach dem Hahne hin.
Er fühlt ihn in den Händen,
Er hat ihn umgedreht;
Da wird ihm angst und bange,
Er weiß nicht, was er tät.
Und läuft hinaus zum Meister,
Die Schuld ihm zu gestehn,
Will seine Knie umfassen
Und ihn um Gnade flehn;
Das hat ihm aber der Meister nicht vergeben. Er erstach seinen Schüler mit einem Messer und wurde von dem Stadtrat zum Tode verurteilt. Als anerkannter Bürger durfte er einen letzten Wunsch haben. Der Meister Wilde wollte den Klang der Glocke hören und es stellte sich heraus, dass die Glocke wunderbar klang. Sie wurde später „Armsünderglocke“ genannt und hing bis zum 17. Mai 1945 in dem Südturm der Kirche. Infolge eines Minenausbruchs wurde sie zerstört. Nur eine Legende und eine berühmte Ballade von Wilhelm Müller „Der Glockenguss zu Breslau“ ist geblieben. Und diese konnten die Schüler hören und einen Lückentest dazu ergänzen.
Auf dem Ring lernten die Schüler die Geschichte der Breslauer Stadthymne kennen, die jeden Sonntag um 12 Uhr von dem „Opa Bach“ (so wird der Jazz-Musiker Tadeusz Nestorowicz von den Kindern genannt) vom Rathausturm präsentiert wird. Er muss jede Woche fast 300 Stufen besteigen, um auf der Trompete eine Melodie aus dem 19. Jahrhundert „In Breslau auf dem Ring“ vorzuspielen. Er macht das schon seit über 40 Jahren.
Bei dem Schweidnitzer Keller hörten die Schüler einen Abschnitt aus dem „Alten Lied vom Schweidnitzer Keller“ von Paul Albers und konnten erfahren, welche berühmten Gäste in dem Bierkeller zu Gast waren (u.a. der Autor der deutschen Nationalhymne Prof. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und der Autor der polnischen Nationalhymne Józef Wybicki).
Am Aleksander-Fredro-Denkmal konnten die Teilnehmer zwei musikalische Traditionen der Stadt kennenlernen. Das Lied „Gaudeamus Igitur“, das von den Studenten immer am Anfang jedes Studienjahres gesungen wird, wurde als „Die Universitätsouvertüre“ von Johannes Brahms als Dankeschön für das Erhalten des Titels Honoris Causa der Breslauer Universität komponiert. Die zweite musikalische Tradition bezieht sich auf den polnischen Nationaltanz – die Polonaise. Man muss sie 100 Tage vor dem Abitur für den polnischen Komödienschreiber Aleksander Fredro auf dem Breslauer Ring tanzen. Das garantiert, dass man das Abitur „singend“ (das heißt auf Polnisch „sehr gut“) besteht. Diese Tradition wird seit vielen Jahren in Breslau praktiziert.
Der 1. Mai ist in Wrocław seit Jahren kein Arbeitstag, sondern ein Gitarrentag. Am Ring versammeln sich Tausende Gitarren-Fans, um pünktlich um 16 Uhr gemeinsam „Hey Jo“ von Jimmi Hendrix zu spielen und einen neuen Gitarren-Weltrekord zu schlagen.
Bei dem Königlichen Schloss (heute Historisches Museum) erfuhren die Teilnehmer von der Geschichte eines Cembalos, das der preußische König Friedrich der Große speziell für seine Schlösser bestellt hat. Die Musikinstrumente sollte vor dem Transport nach Preußen das Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart ausprobiert haben. Das originale Cembalo aus dem Breslauer Schloss wurde viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gefunden und befindet sich heute in Poznań (Posen). Nachdem die Schüler die Aufgaben zu Mozart gelöst haben, wurden sie mit echten Mozart-Kugeln belohnt!
Am Ende der Tour lernten die Schüler den Mythos von Orpheus und Eurydike kennen und konnten mittels Sprechblasen die berühmte Liebesgeschichte der beiden Helden ergänzen und beleben. Die ganze Tour endete am Nationalforum der Musik, an dem auch die Namen der Musikinstrumente wiederholt wurden.
Eine besondere Ergänzung der Tour bildeten die Live-Auftritte der Schüler und Studenten der Breslauer Musikakademie: Róża Nowak und Przemysław Dziergas. Sie waren ein Beweis dafür, dass die langen musikalischen Traditionen der Stadt weiter fortgesetzt werden. Die untypische Deutschstunde sollte den Schülern neue Impulse geben, Deutsch zu lernen und die eigene Stadt zu erkunden.
Text & Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka und das Generalkonsulat der BRD in Wrocław